Interview

„Trotzdem ein Signal der Hoffnung“

Simbabwes Präsident Emmerson Mnangagwa ist zum Sieger der Wahl gekürt worden. Der Nachfolger von Rubert Mugabe ist allerdings hoch umstritten. Die Wahl sei ein Betrug, sagt die Opposition. Es herrsche ein Klima der Angst, beklagen Wahlbeobachter. Johann Singer steht als Afrika-Referent in engem Kontakt mit Partnerorganisationen. Er sagt: Gerade jetzt ist die internationale Gemeinschaft gefordert.

Von Kai Schächtele am
Simbabwe, Präsidentschaftswahl

In der Provinzhauptstadt Masvingo animieren zivilgesellschaftliche Organisationen Menschen dazu, sich ins Wählerverzeichnis einzutragen.

Herr Singer, nach der Präsidentschaftswahl am vergangenen Sonntag in Simbabwe wurde der amtierende Präsident Emmerson Mnangagwa als Gewinner ausgerufen. Die Opposition spricht von Wahlbetrug. Wahlbeobachter beklagen ein Klima der Angst. Wie schätzen Sie den Ausgang der Wahl ein?

Es war leider vorherzusehen, dass die Wahlkommission den Präsidenten zum Gewinner küren würde. Gleichzeitig hat sich die Opposition zur Gewinnerin erklärt. Aktuell warten alle auf die nächsten Schritte der Opposition – zieht sie vor Gericht, um die Ergebnisse anzufechten, oder nicht?

Was meinen die Wahlbeobachter mit dem Klima der Angst?

Sie berufen sich auf konkrete Einschüchterungen während des langen Wahlkampfs, aber auch am Wahltag selbst. Auch wir haben von unseren Partnern gehört, dass Oppositionskandidaten und deren Sympathisanten regelmäßig eingeschüchtert wurden. Ein wichtiger Akteur ist eine spezielle Organisation mit Namen FAZ. Die steht der Regierung nahe und hat bereits im Wahlkampf mit Türkampagnen Personen eingeschüchtert. Am Wahltag selbst hatte sie vor den Wahlbüros Tische aufgestellt und die Namen der Wählenden mit Ausweis erfasst. Das alles hat dazu geführt, dass die Leute große Angst hatten. Das ist nur ein Beispiel der strukturellen Einschüchterungen.

Was ist konkret passiert?

Am Tag nach der Wahl hat die Polizei die Büros vom Zimbabwe Election Support Network und vom Election Resource Centre gestürmt. Das sind zwei Organisationen, die selbst Wahlbeobachter im ganzen Land entsandt hatten und lokale Ergebnisse auf nationaler Ebene aggregiert haben. Laptops und anderes IT-Material wurden beschlagnahmt, 39 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wurden verhaftet und erst knapp 48 Stunden später auf Kaution freigelassen.

„Ein Partner musste 24 Stunden untertauchen“

Was hören Sie aktuell von den Partnerorganisationen von Brot für die Welt?

Ich weiß von mindestens zwei Partnerorganisationen, dass sie gezielt eingeschüchtert wurden. Sie bekamen Anrufe aus Kreisen der Regierungspartei oder von den Geheimdiensten. Ein Partner musste nach diesen Anrufen für 24 Stunden untertauchen und konnte daher zur Wahl zunächst keine Stellungnahme veröffentlichen. Ein anderer Partner, der selbst Wahlbeobachter entsandt hatte, musste aus Sicherheitsgründen in der Wahlnacht Mitarbeitende nach Hause schicken. Er fürchtete um deren Sicherheit.

Sie sitzen in Berlin ein paar tausend Kilometer weit weg von den Geschehnissen in Simbabwe. Wie können Sie die Partner derzeit unterstützen?

Durch Anteilnahme. Für die Menschen in Simbabwe ist es wichtig, dass die internationale Gemeinschaft zuhört und sie dadurch das Gefühl haben, in diesem schwierigen Kontext nicht allein dazustehen. Deshalb hat es auch große Bedeutung, weiterzutragen, was in Simbabwe gerade passiert. Über unser europäisches Netzwerk haben wir gute Kontakte zu den europäischen Vertretern der Wahlbeobachtermission. Auch an die haben wir die Information weitergespielt, dass unsere Partner bedroht werden. Im Fall, dass Mitarbeiter von Partnerorganisationen ernsthaft in Gefahr geraten und länger untertauchen müssen oder medizinische Behandlung benötigen, können wir konkret unterstützen. Das war bisher glücklicherweise noch nicht notwendig.

Vor der Wahl haben wir mit der Anwältin Tracy Mutowekuziva von der Partnerorganisation „Centre for Natural Resoruce Governance“ ein Video-Interview geführt. Darin sprach sie von der großen Bedeutung der Zivilgesellschaft für die politische Zukunft Simbabwes. Welche Konsequenzen hat die aktuelle Situation für die Zivilgesellschaft?

Der Raum für zivilgesellschaftliches Engagement wird in Simbabwe seit Jahren kleiner. Der Wahlkampf hielt ein gutes Jahr an. In diesem Zeitraum sind die Bedingungen für die Zivilgesellschaft deutlich schwieriger geworden. Über die vergangenen Jahre haben wir zudem gesehen, dass wichtige Vertreterinnen und Vertreter der Zivilgesellschaft das Land nach Südafrika, Europa oder in die USA verlassen haben. Aufgrund der Einschüchterungen und der allgemein schwierigen Lage im Land konnten sie diese Situation ihren Familien nicht mehr zumuten. Ich habe höchste Achtung vor jenen, die weiter im Land bleiben und diese Schikanen auf sich nehmen, um sich für ihr Land und ihre Leute einzusetzen. Es gibt kaum mehr unabhängige Medien im Land. Die Opposition ist geschwächt, ihr Parteiapparat und ihre Strukturen wurden gezielt demontiert. Der Justizapparat wird parteipolitisch instrumentalisiert. Deshalb fällt der Zivilgesellschaft so eine wichtige Rolle zu, Demokratie und Menschenrechte im Land zu verteidigen.

Laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung unter 137 Ländern sind nur noch 67 Demokratien. Die Zahl der Autokratien ist auf 70 gestiegen. Geht von Simbabwe eine Botschaft aus, die über das Land selbst hinausgeht?

Dieser Prozess ist noch nicht abgeschlossen, nur weil der Präsident zum Gewinner erklärt wurde. Auf den ersten Blick wirkt die Wahl wie eine weitere Konsolidierung eines autoritären und repressiven Staates. Auf der anderen Seite hat die Opposition trotz aller Einschüchterungsversuche sehr viele Stimmen mobilisiert. Die Regierungspartei hat bei der gleichzeitig stattfindenden Parlamentswahl ihre Zweidrittelmehrheit verloren. Dadurch kann sie nicht mehr eigenhändig die Verfassung ändern und Präsident Mnanagwa so eine weitere dritte Kandidatur ermöglichen. Die Opposition selbst, aber auch viele Beobachter gehen davon aus, dass sie die Präsidentschaftswahl de facto gewonnen hat. Hier bleibt abzuwarten, welche Schritte die Opposition in den nächsten Tagen und Wochen unternimmt. De facto sehen wir aber, dass sehr viele Leute wählen gegangen sind und die Zivilgesellschaft vor, während und nach den Wahlen sehr aktiv war. Von dieser Wahl geht daher durchaus auch ein Signal der Hoffnung aus. Selbst unter extrem schwierigen Bedingungen können demokratische Kräfte weiter aktiv sein.

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