Kommentar

Wasserstoffstrategie: Einfach viel importieren?

Die Bundesregierung will in Kürze die erneuerte Nationale Wasserstoffstrategie beschließen. Möglichst schnell soll viel Wasserstoff importiert werden, um die Klimaziele zu erreichen. Klingt gut? Aus entwicklungspolitischer Sicht nicht so ganz. Drei Punkte, auf die bei der Umsetzung besonders geachtet werden muss, damit es gerecht zugeht.

Von Dr. Joachim Fünfgelt am
Nationale Wasserstoffstrategie

Nationale Wasserstoffstrategie

Die Bundesregierung möchte ihre Nationale Wasserstoffstrategie (NWS) erneuern und in Kürze im Kabinett beschließen. Die Kabinettsvorlage sieht eine starke Ausweitung von Wasserstoffimporten vor, von denen viele aus dem Globalen Süden kommen werden. Doch darf die neue Strategie nicht einseitig darauf abzielen, möglichst schnell möglichst viel Wasserstoff zu importieren, um so bestehende wirtschaftliche Strukturen zu erhalten. Vielmehr geht es darum, sich von den unguten Vorbildern der Rohstoffausbeutung zu lösen, die oft nur einigen wenigen Industrieinteressen im globalen Norden zugutekommen. Stattdessen gilt es, Deutschlands Energiebedarf und ökologischen Fußabdruck zu reduzieren und zugleich mit Partnerländern gerechte Energie- und Wasserstoffpartnerschaften aufzubauen. Sie sollen diesen Ländern ermöglichen, in der Produktwertschöpfungskette aufzusteigen und die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) zu erreichen.

Damit die neue Strategie dazu beiträgt, auch global gerechtere Energiesysteme zu entwickeln, sind aus unserer Sicht die folgenden Aspekte entscheidend:

1. Sicherstellen, dass nur erneuerbarer, grüner Wasserstoff gefördert wird

Derzeit basieren etwa 99 % des weltweit produzierten Wasserstoffs auf fossilen Brennstoffen. Seine Herstellung verursacht erhebliche CO2-Emissionen. Es ist daher zwingend erforderlich, die Umstellung auf grünen Wasserstoff zu gewährleisten und alle Förderinstrumente ausschließlich auf ihn auszurichten. Die aktuell geplante Einbeziehung von fossilem (mit CCS) oder atomaren Wasserstoff in bestimmte Förderinstrumente würde keine echten Übergangsprozesse für potenzielle Exportländer in Gang setzen, sondern vielmehr die fossile Wirtschaft ausweiten, bis hin zur Ausbeutung unkonventioneller Lagerstätten mit gefährlichen Technologien wie Fracking. Neue Studien weisen nach, wie bereits 0,2% Methanleckagen den Klima-Fußabdruck von fossilem Gas dem von Kohle angleichen. 

Die ausschließliche Konzentration auf Wasserstoff aus erneuerbaren Energien kann dagegen Anreize für den Aufbau von Infrastrukturen und Arbeitsplätzen für erneuerbare Energien in den Ländern schaffen, aus denen grüner Wasserstoff importiert wird, und so die weltweite Energiewende beschleunigen.

2. Konzentration der Wasserstoff-Nutzung auf die Sektoren, die ihn wirklich brauchen

Grüner Wasserstoff ist bislang kaum verfügbar. Er wird auch absehbar ein sehr knappes und damit teures Gut bleiben. Daher muss unbedingt sichergestellt werden, dass Wasserstoff ausschließlich in den Bereichen eingesetzt wird, in denen es keine andere Möglichkeit zur Dekarbonisierung gibt. In den meisten Fällen ist die direkte Elektrifizierung von Anwendungen nicht nur effizienter, sondern auch günstiger. Insbesondere bei der Wärmeversorgung und beim Verkehr – mit Ausnahme des Luft- und Schiffsverkehrs – sollte Wasserstoff daher keine Rolle spielen. Dagegen werden Teile der Chemie- und Stahlindustrie grünen Wasserstoff für die Transformation zur Klimaneutralität benötigen. Wenn wir den Wasserstoffeinsatz auf essentielle Anwendungen konzentrieren und unseren Energiebedarf senken, würde dies den Importbedarf erheblich senken. Das kann den Druck herausnehmen, möglichst schnell große Erzeugungskapazitäten im Globalen Süden aufzubauen.

3. Explizite Aufnahme verbindlicher ökologischer und sozialer Nachhaltigkeitskriterien

Die Strategie muss sicherstellen, dass für Wasserstoff-Importe strenge soziale und ökologische Nachhaltigkeitskriterien gelten, die sicherstellen, dass der Wasserstoff-Export den Menschen in potentiellen Exportländern nicht schadet, sondern nützt. Wasserststoffprojekte dürfen mit der lokalen Bevölkerung nicht um Land und Wasser konkurrieren. Im Gegenteil, bei Nutzung von Wasser aus Meerwasserentsalzung muss die lokale Bevölkerung davon profitieren und ihren Zugang zu Frischwasser verbessern. Das Recht der lokalen Bevölkerung auf freie, vorherige und informierte Zustimmung ist sicherstellen, wie es in der ILO Konvention 169 codifiziert ist.

Darüber hinaus muss unbedingt sichergestellt werden, dass Wasserstoff-Produktion und Transport auf Leckagen kontrolliert werden - von Methan im Falle von blauem Wasserstoff bis hin zu direkten Wasserstoff-Leckagen, z. B. aus Elektrolyseuren, und dass solche Leckagen proaktiv verhindert werden. Über komplexe atmosphärische Reaktionen verusacht auch Wasserstoff in der Atmosphäre einen indirekten Treibhauseffekt.

Bereits abzusehen ist, dass H2Global als wichtigstes Instrument für grüne Wasserstoff-Standards angesehen wird. Allerdings reichen die H2Global-Kriterien derzeit nicht aus, um eine nachhaltige, grüne Wasserstoff-Produktion und einen gerechten Wasserstoff-Handel gemäß der Kriterien zu gewährleisten, die aus Konsultationen mit Partnerorganisationen von Brot für die Welt und der Heinrich-Böll-Stiftung entwickeltet wurden . Die derzeitigen Nachhaltigkeitskriterien von H2-Global müssen daher rasch evaluiert und angepasst werden und auch für andere Programme gelten.

Damit Nachhaltigkeitsstandards glaubwürdig und umsetzbar sind und Verstöße sanktioniert werden können, sollte Deutschland als großes, wichtiges Importland mit gutem Beispiel vorangehen und sicherstellen, dass für seine Importe ehrgeizige, verbindliche Nachhaltigkeitsstandards gelten. Deutschland muss sich dann auf EU- und internationaler Ebene für diese einsetzen und spätestens in seiner Importstrategie verbindlich festschreiben.

Dieser Blog ist mit Jörg Haas (Heinrich Böll Stiftung) geschrieben worden.

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