ein paar Fahrradminuten von meinem Schreibtisch entfernt traf sich vor 140 Jahren der deutsche Reichskanzler Otto von Bismarck mit Diplomaten von 14 Staaten und legte ein entscheidendes Fundament für die bis heute vielerorts bestehende Armut und Diskriminierung Afrikas. Zur Berliner Kolonialkonferenz, auch Kongokonferenz genannt, waren die USA gekommen, elf europäische Kolonialmächte, das Osmanische Reich und Russland. Die Gesandten diskutierten, wer welche Gebiete künftig kontrollieren, verwalten und ausbeuten dürfe. Wir nehmen die Konferenz, die am 15. November 1884 begann, zum Anlass für ein Politik-Brief-Extra. Zehn Fachleute, viele von ihnen aus Afrika, alle aus Ländern des sogenannten Globalen Südens, haben für uns Beiträge geschrieben zur Frage: Wieviel Kolonialismus besteht noch heute? Einige Autor*innen gehen nicht gerade zimperlich mit uns um. Zu Recht. Von der kolonialen Missionsarbeit im 19. und 20. Jahrhundert führt eine heiße Spur auch zu Brot für die Welt, einer kirchlichen Organisation, die im Globalen Süden Entwicklungszusammenarbeit leistet. Tatsächlich beschäftigen wir uns intensiv mit der Frage, wie stark koloniale Kontinuitäten unsere Arbeit prägen. Wie gestalten wir die Beziehung zu unseren Partner*innen vor Ort? Wie dekolonial ist unsere politische Arbeit? Radikale Stimmen fordern zuweilen: Schluss mit Entwicklungszusammenarbeit! Nur so lasse sich Kolonialität beenden. Reparationen seien der bessere Ansatz, einen Teil der Ausbeutung wiedergutzumachen, den Rest werde der Markt schon richten – private Investitionen würden früher oder später das Nordsüd-Gefälle beheben. Doch Unternehmen im Norden werden ihre Überlegenheit und profitorientierten Interessen kaum freiwillig aufgeben. Zudem tragen viele Regierungen des Globalen Südens die Last hoher Schulden, die sich vor allem als Folge der Kolonialzeit anhäuften. Geld für besonders Bedürftige und Marginalisierte steht ihnen kaum zur Verfügung. Entwicklungszusammenarbeit ist derzeit unverzichtbar, machen wir uns nichts vor. Ebenso wie die Machtasymmetrie zwischen Nord und Süd, die der Globale Süden seit jeher nach Kräften bekämpft, schwer zu überwinden ist. Doch können wir Entwicklungszusammenarbeit als Instrument für Dekolonialität einsetzen – im Globalen Süden wie im Norden. Indem wir Zivilgesellschaft weltweit stärken. Um gemeinsam, mit vereinter Kraft, der Klimakrise, Kriegen, Konflikten und Menschenrechtsverletzungen sowie neokolonialen Strukturen zu begegnen. Für eine solidarische und dekoloniale Welt. Dabei sind wir bereit für Kritik und Veränderungen. Die folgenden Beiträge ermutigen uns dazu.
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