(Bonn, 09.09.2002) Eine positive Bilanz der entwicklungsbezogenen Zusammenarbeit des Staates und der Kirchen zogen der Bundespräsident Johannes Rau, Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul und die beiden Vorsitzenden der katholischen und der evangelischen Kirche, Kardinal Lehmann und Präses Manfred Kock anlässlich des 40.Jahrestages der Gründung der kirchlichen Zentralstellen für Entwicklungshilfe. Während des Festakts in der Bonner Kunst- und Ausstellungshalle, bei dem auch der Medienpreis Entwicklungspolitik 2002 verliehen wurde, bedankte Bundespräsident Johannes Rau sich für die erfolgreiche Arbeit der katholischen und der evangelischen Zentralstelle und für ihr langjähriges Engagement, Armut und Not der Menschen zu lindern und gerechtere gesellschaftliche Verhältnisse zu schaffen. Ein Dank und ein Zeichen der Solidarität kam auch aus den Ländern des Südens: Kardinal Rodriguez, Erzbischof von Tegucigalpa, übergab Bundespräsident Rau für die deutschen Flutopfer eine Spende aus Honduras in Höhe von knapp 15 000 Euro.
Die beiden kirchlichen Zentralstellen EZE und KZE sind Teil der Entwicklungsdienste der christlichen Kirchen in Deutschland. Beide Zentralstellen wurden 1962 kurz nach dem Start des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) gegründet. Damit begann eine feste, vertrauensvolle und eng koordinierte Zusammenarbeit zwischen den Kirchen und dem Staat. Mit einem Finanzvolumen von 8,3 Mrd. DM wurden in 40 Jahren rund 12 700 Projekte der Zentralstellen aus öffentlichen Mitteln gefördert, die vor allem der Armutsbekämpfung dienen. Die evangelische Zentralstelle EZE ist Teil des Evangelischen Entwicklungsdienstes (EED) in Bonn und die katholische Zentralstelle KZE ist im bischöflichen Hilfswerk Misereor in Aachen angesiedelt.
Im Rückblick auf 40 Jahre nannte Bundespräsident Rau zwei Beispiele für die Bedeutung der kirchlichen Arbeit: den Einsatz der Kirchen für die internationale Kampagne gegen die Apartheid in Südafrika, die zum Ende des menschenverachtenden Regimes beitrug und den Weg für einen friedlichen Übergang in Südafrika bereitete sowie die Erlassjahrkampagne, die dazu beigetragen habe, dass die G8-Staaten bei ihrem Gipfeltreffen in Köln im Jahre 1999 die Entschuldungsinitiative beschlossen hatten. So habe sich das Modell der Kooperation zwischen Staat und Kirchen bewährt. Mit deutlichen Worten unterstützte der Bundespräsident die Kampagne der Kirchen zur Umsetzung des 0,7-Prozentziels. Wie auch der Weltgipfel in Johannesburg deutlich gemacht habe, müsse die Entwicklungspolitik verstärkt werden. "Die Industriestaaten müssen das erfüllen, was sie vor 32 Jahren beschlossen haben, nämlich 0,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für die Entwicklungspolitik bereitzustellen."
Im Blick auf die kommenden Bundestagswahlen betonte der Bundespräsident, "es ist heute notwendiger denn je, dass die Entwicklungspolitik gleichberechtiger Bestandteil im Geflecht deutscher und europäischer auswärtiger Beziehungen wird - neben Außen-, Sicherheits- und Außenwirtschaftspolitik".
Die Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul würdigte die Kirchen als zentrale Partner bei der gerechten Gestaltung der Globalisierung. Die kirchliche Entwicklungszusammenarbeit bilde eine sehr wichtige Unterstützung und Ergänzung der staatlichen Politik mit ihren Zielsetzungen "Armut bekämpfen, Globalisierung menschlich gestalten und vor allem, den Frieden in der Welt zu sichern." Wieczorek-Zeul rief dazu auf, die finanziellen Mittel, die zu militärischen Aufrüstungen momentan in vielen Ländern aufgebracht werden, viel eher zur Armutsbekämpfung und zur Erreichung entwicklungspolitischer Ziele einzusetzen.
Kardinal Lehmann hob die besonderen Strukturen der Kirchen hervor, die durch ihre Partner vor Ort nah an den Armengruppen seien, die sonst auf dem Wege der Kooperation zwischen den Regierungen nicht oder nur sehr viel schwieriger in Entwicklungsprozesse einbezogen werden könnten. Kirchliche Projekte unterstützten deshalb besonders auch die soziale und politische Selbstorganisation der Armen. Dies sei eine Aufgabe, die bei den Privilegierten und Machteliten in vielen Entwicklungsländern oft auf Widerstände stieße. Den Kirchen mit ihrem weltweiten Partnerstrukturen aber böten sich auf dem Feld des Aufbaus einer Zivilgesellschaft besondere Chancen, so Kardinal Lehmann.
Der Vorsitzende des Rates der EKD, Präses Manfred Kock hob hervor, 40 Jahre vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen dem BMZ und den beiden Zentralstellen hätten die alten Bedenken zur Wahrung eines eigenständigen Profils der kirchlichen Entwicklungsarbeit ausgeräumt. Staat und Kirchen hätten in der Zusammenarbeit und im kritischen Dialog viel voneinander gelernt. Das nötige Maß an Unabhängigkeit biete den Kirchen die Gewähr, die Gesellschaft und den Staat an die Grundlagen eines gerechten Miteinanders zu erinnern. Der EKD-Ratsvorsitzende hob hervor, dass die katholische und die evangelische Zentralstelle in Sachen Entwicklungspolitik gegenüber dem Staat und der Öffentlichkeit mit einer Stimme sprechen. "Dieses Miteinander ist vorbildlich für die ökumenische Zusammenarbeit auch auf anderen Feldern gemeinsamer gesellschaftlicher Verantwortung", so Präses Kock. "Wir brauchen jetzt und auch künftig eine klar konturierte Entwicklungszusammenarbeit und damit auch die Fortsetzung d! er Zusammenarbeit von Staat und Kirchen. Sie ist im Zeitalter der Globalisierung nötiger denn je." Die beiden Vorsitzenden der Kirchen, Kardinal Lehmann und Präses Manfred Kock, bedankten sich bei Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul für 40 Jahre entwicklungspolitische Zusammenarbeit zwischen Kirchen und Staat mit einem Bild des togolesischen Künstlers EL Loko.
Weitere Informationen und Interviewanfragen bei: Michael Mondry, MISEREOR, Tel: 0241-442-528, Mobil: 0170 - 572 45 53, eMail: mondry@misereor.de Ilonka Boltze, Pressesprecherin EED, Tel: 0228-8101-2503, Mobil: 0170 - 270 28 92, eMail: Ilonka.Boltze@eed.de 40 Jahre Entwicklungszusammenarbeit im Internet: www.zentralstellen-ez.de