(Bonn, 16.04.2004) Als "Schritt in die richtige Richtung, allerdings noch mit offenen Flanken für die Entwicklungsländer verbunden" - so bezeichnet der Evangelische Entwicklungsdienst (EED) die EU-Vorschriften für gentechnisch veränderte Lebens- und Futtermittel (GMO), die am 18. April in Kraft treten sollen. Erstmals werde in der EU die "Wahlfreiheit" für Bauern und Verbraucher verwirklicht. Ein Wermutstropfen bleibt: Basis vieler Nahrungsmittel ist Saatgut wie Weizen oder Mais, und für Saatgut gilt, dass beträchtliche Verschmutzungsgrade durch genetisch veränderte Organismen (GMO) zugelassen werden. Deshalb mahnt der EED dringenden Handlungsbedarf beim Schutz von Saatgut an: "Nach dem es Regelungen für die EU-Bürgerinnen und Bürger gibt, müssen auch jetzt auch die Kunden im internationalen Handel ihr Recht auf Information erhalten, was in EU-Exportprodukten drin ist: Die EU muss nach dem ersten Schritt jetzt den zweiten folgen lassen und Regeln für den EU-Export von Saatgut finden", fordert Rudolf Buntzel-Cano, der EED-Beauftragte für Welternährung.
Wird zukünftig im Saatgut ein Gentech-Anteil von bis zu 0,7 Prozent toleriert, kann das dazu führen, dass die Verunreinigung der Ernte insbesondere in Entwicklungsländern unkontrolliert zunimmt: In der EU ansässige internationale Biotechnologie-, Züchtungs- und Forschungsinstitute exportieren weltweit große Mengen Saatgut für Versuchs- und Handelszwecke. "Es entstehen gefährliche Lücken für den unkontrollierten Import von genetisch verändertem Saatgut in die Entwicklungsländer, das sich dort unter subtropischen und tropischen Bedingungen dramatisch schnell ausbreiten kann", warnt Buntzel-Cano. Zugleich würden damit auch internationale Vereinbarungen wie das "Biosicherheitsabkommen" unterwandert, das jedem Land das Recht zugesteht, die Risiken abzuwägen und restriktive Auflagen für gentechnisch veränderte Produkte zu schaffen. Nationale Regulierungen zur Kennzeichnung von GMO-Produkten, auch "Grüne Gentechnik" genannt, stecken in den meisten Entwicklungsländern noch in den Kinderschuhen.
"Für den internationalen Handel muss eine genaue Informationspflicht geschaffen werden, welche Bestandteile gentechnisch verändert wurden. Das ist Grundvoraussetzung dafür, dass Entwicklungsländer ihre eigene Kennzeichnung überhaupt vornehmen können", so Buntzel-Cano. Die Bundesregierung spiele bei den Bemühungen um Gentech-Regeln für den internationalen Handel eine wichtige Rolle und zeige Engagement. So ist Deutschland auch Gastgeber bei den Verhandlungen für das internationale Biosicherheitsabkommen.
"Wir unterstützen die Bundesregierung, sich weiter dafür einzusetzen, dass bei der Informationspflicht beim internationalen Handel mit "grüner Gentechnik" nachgebessert wird - und wir fordern die Regierung auf, sich für eine Auflage einzusetzen, die gentechnisch veränderte Substanzen in kennzeichnungsfreien Saatgut vollständig verbietet", bekräftigt Buntzel-Cano. "Das Saatgut muss absolut rein bleiben, wenn man eine schleichende Verschmutzung allen Ernteguts vermeiden will. Die EU sollte ihrer Vorreiterrolle gerecht werden und sich für eine Regelung einsetzen, die auch die Entwicklungsländer wollen. Dass heisst auch, sich nicht dem Druck der Vereinigten Staaten zu beugen, die die Gentechnik mit möglichst geringen Auflagen weltweit durchsetzen wollen."