(Bonn, 24.3.2006). Die Bombenangriffe auf zivile Ziele haben aufgehört, die Menschen flüchten nicht mehr, wenn sie ein Flugzeug am Himmel hören. Und dennoch: In Frieden lebt die Bevölkerung im Süden Sudans nicht - trotz des Friedensvertrags, den die Regierung und das Sudan People’s Liberation Movement (SPLM/A) im Januar 2005 unterzeichnet hatten. In der Region werden neue Konflikte gewaltsam ausgetragen. Über die schwierige, oft verzweifelte Situation der Menschen informierte sich Nikolaus Schneider, Präses der evangelischen Kirche im Rheinland und Aufsichtratsvorsitzender des EED. Gemeinsam mit einer EED-Delegation besuchte er im März den Süden des Sudan.
"Das öffentliche Interesse in Europa sollte sich nicht nur auf Darfur richten", warnte Präses Schneider nach seiner Reise. "Wenn es nicht gelingt, den Friedensprozess im Südsudan zu konsolidieren, besteht die Gefahr eines Flächenbrandes, der auch die angrenzenden Länder erfassen könnte".
Ein Vertreter der Regierung informierte die Delegation, dass in der Region rund um die Stadt Rumbek täglich mehr Menschen sterben als während des Krieges. Ursache der gewaltsamen Auseinandersetzungen sind alte Spannungen zwischen Völkern im Sudan und Ressourcenkonflikte um Land und Wasser. Die wachsende Zahl unorganisiert zurückkehrender Flüchtlinge verschärft die Notsituation. Beobachter haben den Eindruck, dass lokale Spannungen von politischen Interessengruppen gezielt angeheizt werden, um den Friedensprozess zu blockieren.
Auch die Kriminalität wird zunehmend zum Problem. Tausende ehemaliger Widerstandskämpfer und Soldaten bekommen keinen Sold. Unter armseligen Bedingungen hausen sie außerhalb der Städte in provisorischen Lagern. Nahrung oder Kleidung müssen sie oft selbst organisieren. Dabei setzen sie immer häufiger Waffen ein.
"Die internationale Gemeinschaft muss ihrer Verantwortung gerecht werden, damit der Friedensvertrag endlich Früchte trägt", forderte Präses Schneider. "Die Hilfsorganisationen haben zwar mit Aufbaumaßnahmen begonnen, aber der Prozess geht nur zäh voran. Auf der politischen Ebene muss die internationale Gemeinschaft darauf bestehen, dass die Vereinbarungen des Friedensabkommens tatsächlich umgesetzt werden." Während eines Besuchs im Krankenhaus von Rumbek begegnete der Präses vielen Verwundeten mit Schussverletzungen. Gemeinsam mit dem sudanesischen Bischof Reuben Maciir von der Episcopal Church of Sudan war er ins Krankenhaus gefahren, um mit den Verwundeten zu sprechen und zu beten.
Eine große Herausforderung ist die Reintegration der vielen internen Vertriebenen und Flüchtlinge, die während des 22jährigen Bürgerkriegs ihre Heimat verlassen mussten. "Wir wollen endlich nach Hause", war die deutliche Botschaft der Vertriebenen, mit denen Präses Schneider sprach. Doch die im Friedensvertrag vereinbarte Rückführung in die Heimatdörfer hat noch nicht begonnen. Verminte Straßen und Felder sind nur ein Problem. "Die Dörfer und Gemeinschaften müssen auch darauf vorbereitet werden, die Rückkehrerinnen und Rückkehrer aufzunehmen", meinte Präses Schneider. "Dies ist eine logistische und eine pastorale Herausforderung. Die Menschen brauchen Heilung und Versöhnung, wenn der Frieden gelingen soll".
In Gesprächen mit Kirchenvertretern würdigte Präses Schneider die Rolle der sudanesischen Kirchen, die im Friedensprozess eine hörbare Stimme für die notleidende Bevölkerung waren. "Bei all den vielen Konflikten ist die Religion häufig das einzige, das die Menschen im christlich geprägten Süden miteinander verbindet", so Schneider. Der Präses ermutigte die Kirchen, sich weiterhin für das einzusetzen, was sich alle wünschen: ein friedliches Land. Gleichzeitig forderte er Kirchen und Hilfswerke in Europa auf, in ihrer ökumenischen Zusammenarbeit mit den Kirchen im Sudan nicht nachzulassen. "Die Menschen im Sudan brauchen unsere Solidarität, um den schwierigen Übergang in einen dauerhaften Frieden zu schaffen."