(Nairobi / Bonn 22.1.2007) Beim Weltsozialforum wird unüberhörbar Kritik an der Politik der eigenen Regierungen geübt, aber auch an den unverhohlenen Interessen der Wirtschaftsmächte, darunter die EU mit Deutschland, an einer schnellen Öffnung der Märkte des afrikanischen Kontinents. „Wir Deutsche sollten im Jahr der EU-Ratspräsidentschaft und der deutschen G 8- Präsidentschaft noch viel genauer hören, was Afrikaner uns zu sagen haben“, führte Claudia Warning, Vorsitzende des deutschen Dachverbands der entwicklungspolitischen NRO (VENRO) und Vorstandsmitglied des Evangelischen Entwicklungsdienstes (EED) bei einer Podiumsdiskussion aus.
Auf Befremden stößt bei vielen afrikanischen Teilnehmenden des Weltsozialforums, das bis zum 25. Januar in Nairobi stattfindet, dass so gut wie keine Politiker aus Deutschland den Weg nach Nairobi gefunden haben. Immerhin ist es das größte zivilgesellschaftliche Forum weltweit. „Warum sind die Regierungen der Industrieländer nicht hier um uns zuzuhören? Die großen Worte vom Dialog mit der Zivilgesellschaft werden hier zur Makulatur“, so Candido Grzybowski, einer der Gründerväter des Forums, bei derselben Veranstaltung. Auf die Erwartungen an die G 8 angesprochen, meint Bischof Nyanseko-ni-Nku, Präsident des allafrikanischen Kirchenrats: „Wir haben es satt, von den G 8 wie Kinder behandelt zu werden. Wir wollen Partner sein.“
Die eigenen Regierungen bekommen nicht viel Kredit von prominenten Teilnehmern des Forums. „Wir brauchen endlich eine streitbare Zivilgesellschaft in Afrika,“ so Bischof Nyanseko-ni-Nku aus Kamerun. Damit schließt er sich den Worten von Erzbischof Desmund Tutu an, der beim Eröffnungsgottesdienst zum WSF am 19. Januar gefordert hatte, die Kirche in Afrika solle politischer werden, um Staatsführungen mit ihrem Versagen zu konfrontieren. Den eigenen Eliten traue man kaum mehr zu, die Probleme des Kontinents zu lösen. „Die einfachen Leute haben das Vertrauen in die Politiker verloren. Das erklärt die rasche Bildung einer Zivilgesellschaft, aber auch den großen Zulauf zu den Kirchen“, so Bischof Nyanseko-ni-Nku.
Die deutschen Teilnehmer am Weltsozialforum werden darum aufgefordert, die Impulse nach Deutschland zurückzutragen und auf die Präsidentschaften der deutschen Regierung im Jahr 2007 Einfluss zu nehmen. Warning will sich als Vorstand von VENRO dafür einsetzen, dass Afrika Raum dafür bekommt, bei Entscheidungen, die den Kontinent betreffen, mit zu bestimmen. Die Nagelprobe sei der kommende G 8- Gipfel in Heiligendamm. Dieser solle nicht darüber nachdenken, was Afrika tun müsse, sondern welche Verpflichtungen die G-8-Staaten für die Welt hätten. In Afrika sollten die G 8 über ihre Entwicklungshilfe viel mehr dazu beitragen, dass sich eine sachkundige und gut informierte Zivilgesellschaft aufbauen könne.
Kontakt in Nairobi: Wilfried Steen: +49 -170 -760 62 19 Jürgen Reichel: +49 -177 -381 50 14