„Wir haben gemeinsam mit unseren Partnerorganisationen schon lange auf die großen Missstände in der Weltwirtschaft hingewiesen - und in der jetzigen Krise zeigt sich leider, wie berechtigt unsere Warnungen waren", sagt EED-Vorstand Wilfried Steen. Beim Weltsozialforum gehe es um Anregungen, wie die Krisen in den Bereichen Finanzmärkte, Ernährung und Klima bewältigt werden können. „Immer noch achtet die globalisierte Wirtschaft nur auf Gewinnmaximierung und Shareholder Value. Konzerne entlassen dafür Mitarbeiter und schließen unrentable Firmen - doch der richtige Weg führt genau in die andere Richtung: Regionalisierung und Beteiligung der Bevölkerung", so Steen.
Der EED unterstützt Initiativen in Entwicklungs- und Schwellenländern bei ihrem Kampf für mehr Unabhängigkeit von Großkonzernen, für bessere Arbeitsbedingungen und mehr Selbstverwaltung.
Das 9. Weltsozialforum beginnt am Dienstag, 27.01.2009, mit einem Marsch der Teilnehmerinnen und Teilnehmer durch Belém. Die Organisatoren erwarten bei der Gegenveranstaltung zum gleichzeitig stattfindenden Weltwirtschaftsforum von Davos mehr als 100.000 Vertreter sozialer Bewegungen der Welt. Ein Schwerpunkt des diesjährigen Weltsozialforums wird die Situation in Amazonien sein. In dieser Region, zu der auch die Millionenstadt Belém gehört, bündeln sich viele Probleme des gegenwärtigen Klimawandels, der Nahrungssicherheit, der Biodiversität und des Umweltschutzes.
In einem Internetblog (http://belem2009.blogspot.com/) berichten die Teilnehmer der EED-Delegation täglich von ihren Eindrücken und Erlebnissen auf dem Weltsozialforum.
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Ihre Ansprechpartner in Belém/Brasilien:
Wilfried Steen, EED-Vorstand: (++ 55) 91 8235 5469
Jürgen Reichel, Delegationsleiter: (++ 55) 91 8235 5466
Martin Koch, Pressearbeit: (++ 55) 91 8235 5440
Interview mit Wilfried Steen: Keine Allheilmittel gegen die Krisen der Welt
(Belém/Bonn, 26.01.2009) In der nordbrasilianischen Millionenstadt Belém beginnt morgen (Dienstag, 27.01.09) das Weltsozialforum. Es versteht sich als Gegenveranstaltung zum zeitgleich stattfindenden Weltwirtschaftsforum von Davos. Der Evangelische Entwicklungsdienst aus Bonn ist mit einer Delegation vor Ort. Im Interview äußert sich EED-Vorstandsmitglied Wilfried Steen über Sinn und Zweck des Welttreffens und über besonders bewegende Themen.
Das Weltsozialforum steht unter dem Motto „Eine andere Welt ist möglich". Das ist angesichts der aktuellen weltweiten Krisen ein sehr angebrachter Wunsch.
Auf jeden Fall. Die Finanz- und Wirtschaftskrise, die Nahrungsmittelkrise und bewaffnete Konflikte wie in Palästina beherrschen uns heute. Die Frage ist, wie wir uns einen anderen Lebensstil zulegen, der uns erlaubt, eine menschenwürdige Welt zu schaffen.
Haben Sie die Entwicklung kommen sehen?
Wir haben gemeinsam mit unseren Partnerorganisationen schon lange auf die großen Missstände in der Weltwirtschaft hingewiesen - und in der jetzigen Krise zeigt sich leider, wie berechtigt unsere Warnungen waren. Die globalisierte Wirtschaft achtet nur auf Gewinnmaximierung und Shareholder Value. Konzerne entlassen dafür Mitarbeiter und schließen unrentable Firmen - doch der richtige Weg führt genau in die andere Richtung: Regionalisierung und Beteiligung der Bevölkerung.
Werden diese Krisen auch im Mittelpunkt des Weltsozialforums 2009 stehen?
Selbstverständlich. Aber eins ist von vornherein klar: Das Weltsozialforum kann nicht wie eine Apotheke für alle Leiden dieser Erde Rezepte und Medikamente vorhalten. Nein, die hier vertretenen Nichtregierungsorganisationen und zivilgesellschaftlichen Gruppen müssen gemeinsam an der Lösung dieser Probleme arbeiten und sich gemeinsam Mut machen.
Der Evangelische Entwicklungsdienst ist seit 2002 bei jedem Weltsozialforum dabei - warum engagieren Sie sich bei dieser Veranstaltung?
Das Weltsozialforum ist eine der wenigen Einrichtungen, die es wirklich schafft, Menschen aus den verschiedenen Erdteilen an einen Tisch zu bringen, damit diese ihre Regierungen unter Druck setzen, die schreienden weltweiten sozialen Probleme anzugehen.
In welcher Form ist der EED beim Weltsozialforum 2009 vertreten?
Der eigentliche Schatz, den wir als EED in die Diskussionen einbringen, sind die Mitglieder unserer Delegation: Vertreter der Landeskirchen Hannover, Hessen-Nassau und Rheinland sowie EED-Mitarbeitende und internationale Gäste aus Guinea-Bissau und Brasilien. Außerdem unsere vielfältigen Erfahrungen und Kontakte weltweit zu unseren Projektpartnern. In unseren eigenen Veranstaltungen setzen wir zwei Schwerpunkte: Einmal geht es um die Frage eines gerechten Welthandels am Beispiel von Billig-Geflügelexporten nach Afrika. Und zweitens geht es um unser Projekt „Zukunftsfähiges Deutschland". Diese Studie haben wir zusammen mit "Brot für die Welt" und dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) in Auftrag gegeben. In ihr geht es darum, darüber nachzudenken, wie wir unsere Welt so gestalten können, dass wir als Bürger der Industriegesellschaft nicht mit einem riesigen ökologischen Rucksack durch die Gegend laufen, sondern so leben und arbeiten, dass das für eine globale Zusammenarbeit verträglich ist. Wir alle sind Gäste auf dieser Erde und müssen sie bewahren.
Warum findet das Weltsozialforum 2009 in der nordbrasilianischen Millionenstadt Belém statt?
Hier in Belém bündeln sich viele Aspekte der gegenwärtigen weltweiten Krisen. Das Amazonas-Gebiet ist der Schatz an genetischen Ressourcen dieser Erde und auch das Thema Gerechtigkeit ist hier akut: Die Auseinandersetzungen um Land und Menschenrechte sind hier besonders heftig, und das in einer Gegend, in der die Machtinteressen von Großgrundbesitzern, aber auch der Großindustrie, wegen der vielfältigen Bodenschätze besonders zum Ausdruck kommen.
Sie haben vor dem Forum mehrere der EED-Partnerorganisationen in der Region von Belém besucht. Gibt es Themen, die Sie besonders berührt haben?
Besonders beeindruckt war ich von der Arbeit unserer Partnerorganisation SDDH im Bereich Menschenrechte. Die Organisation unterstützt Opfer von Gewaltdelikten. Immer wieder erzählen sie davon, dass es in Brasilien zu brutalen Übergriffen von der Polizei gegenüber der Bevölkerung kommt: Es gibt Vorwürfe von Folter bis hin zur Ermordung von Festgenommenen. Und meistens trifft es die Ärmsten der Armen, die sich von der Willkür der Polizei nicht durch Schutzgelder freikaufen können.
In Davos beim Weltwirtschaftsforum versuchen hochrangige Vertreter aus Wirtschaft und Politik, die Welt aus der Krise zu führen. Sehen Sie darin eine Konkurrenz zum Weltsozialforum?
Nein, Konkurrenz würde ich es nicht nennen. Trotzdem sind meine Erwartungen gemischt: Zwar ist es gut, wenn sich hochrangige Politiker für die Rettung der Welt einsetzen, aber wir müssen aufpassen, dass die soziale Bewegung dadurch nicht in den Hintergrund tritt. Denn die eigentlichen Stärken eines Forums liegen darin, dass Menschen aus verschiedenen Gegenden dieser Erde zusammenkommen und miteinander versuchen, sich für mehr Gerechtigkeit für Frieden und für die Bewahrung der Schöpfung einzusetzen.
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Interview: Martin Koch
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