Die erneute
militärische Eskalation behindert die humanitäre Hilfe, auf die über 1,4
Millionen intern Vertriebene für ihr Überleben angewiesen sind. Sie gefährdet
zudem die Sicherheit der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von
Nothilfeorganisationen.
In der Region am Horn von Afrika, und speziell in Somalia,
leiden die Menschen unter der schlimmsten Dürrekatastrophe seit Jahrzehnten. In
der gesamten Region sind über 11 Millionen Menschen unmittelbar gefährdet.
„Speziell in Somalia ist das Ausmaß der Katastrophe eindeutig die Folge von
über 20 Jahren fehlgeleiteter Politik der internationalen Gemeinschaft. Die
Dürre war hier nur ein verstärkender Faktor, der zu der humanitären Katastrophe
geführt hat", erklärt Helmut Hess, Vorsitzender des internationalen Aufsichtsrates
der somalischen Hilfsorganisation Daryeel-Bulsho-Guud
(DBG).
Es sei eine
nicht zu verleugnende Tatsache, dass die von der internationalen Gemeinschaft
gestützte Übergangsregierung unter Sheikh Sharif Sheikh Ahmed in der
somalischen Bevölkerung nicht anerkannt und akzeptiert werde, so Wolfgang
Heinrich vom EED. Das sei ein Grund dafür, dass die radikal islamische
al-Shabab nach wie vor Unterstützung in der Bevölkerung finde, auch wenn viele
Somalis die fundamentalistische Interpretation des Islam ablehnten, sagte
Wolfgang Heinrich. „Die internationale Gemeinschaft verfolgt eine völlig
einseitige Politik mit ihrer bedingungslosen Unterstützung der Übergangsregierung.
Sie sieht großzügig über ihre Unfähigkeit und massive Korruption hinweg und ist
damit zur Kriegspartei geworden, statt Friedensstifter zu sein", beobachtet
Ruth Gütter vom Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).
„Unter dieser Politik leiden wieder die Menschen in Somalia. Sie werden in eine
immer aussichtslosere Lage getrieben", so Ruth Gütter.
Mitte des
Jahres hat es ernst zu nehmende Signale gegeben, dass Teile der al-Shabab
bereit waren, über den freien Zugang von Hilfsorganisationen zu Opfern der
Dürrekatastrophe zu verhandeln. „Die internationale Gemeinschaft hat diese
Signale missachtet und sich nicht ernsthaft bemüht, Verhandlungen aufzunehmen. Damit
hat sie eine Gelegenheit verschenkt, Möglichkeiten für eine politische Lösung
auszuloten", sagt Ruth Gütter.
Über die
vergangenen zwanzig Jahre hat jede militärische Intervention in Somalia das
Gegenteil von dem bewirkt, was hätte erreicht werden sollen. „Bundesminister
Niebel hat völlig Recht, wenn er darauf hinweist, dass nur ein politischer
Prozess zu einer Lösung führen kann", erklärt Claudia Warning. „Eine militärische
Intervention ist unter den gegenwärtigen Bedingungen und Angesichts der
Geschichte Somalias in den letzten 20 Jahren, das Falscheste, was man tun kann",
sagt Claudia Warning.
Die Hilfswerke fordern die Bundesregierung deshalb auf, sich
für einen politischen Lösungsprozess und eine Beendigung der militärischen
Interventionen einzusetzen. Dazu gehöre, dass mit allen Konfliktparteien
gesprochen werden muss. „Dazu gehören auch die
al-Shabab. Wir müssen sie weiterhin kritisch beurteilen, aber wir müssen
beginnen, sie als Gesprächspartner ernst zu nehmen", so Karl Pfahler von der
Kindernothilfe.
Im
Beratungsausschuss Horn von Afrika tauschen sich die Evangelische Kirche in
Deutschland (EKD), die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Hannovers, „Brot
für die Welt", der Evangelische Entwicklungsdienst (EED), das Evangelisch
Lutherische Missionswerk in Niedersachsen (ELM), das Berliner Missionswerk und
die Kindernothilfe über die Lage am Horn von Afrika aus, entwickeln gemeinsame
Forderungen und stimmen ihre Strategien ab.