Amnesty International, Brot für die Welt, Germanwatch und MISEREOR protestieren scharf gegen den Versuch des Bundesfinanzministeriums, aus dem bisherigen Entwurf eines deutschen Aktionsplans für Wirtschaft und Menschenrechte alle Menschenrechtsauflagen für Unternehmen zu streichen. Schon der bisherige Entwurf, an dem bereits fünf Ministerien beteiligt waren, hatte zum Unmut der Organisationen auf eine gesetzliche Regelung verzichtet.
„Die Überarbeitung durch das Finanzministerium trägt die Handschrift der Wirtschaftsverbände, nicht die einer Regierung, die Fluchtursachen minimieren will. Bleibt es bei den Änderungen, können die Unternehmen, die menschenverachtende Produktionsbedingungen ignorieren, um davon zu profitieren, einfach weitermachen“, so Cornelia Füllkrug-Weitzel, Präsidentin von Brot für die Welt. Wie aus gut informierten Kreisen verlautet, soll nach dem Willen des Finanzministeriums nur eine völlig unverbindliche Empfehlung ausgesprochen werden, dass Unternehmen ihre menschenrechtliche Verantwortung wahrnehmen. Die Zielvorgabe, dass bis 2020 die Hälfte der großen Unternehmen menschenrechtliche Sorgfaltsprozesse eingeführt haben sollen, habe das Ministerium gestrichen. Auch die Erwägung gesetzlicher Maßnahmen für den Fall, dass zu wenige Unternehmen bis 2020 Prozesse zur menschenrechtlichen Sorgfalt eingerichtet haben, will das Finanzministerium nicht akzeptieren. Es fordert stattdessen, die für Unternehmen durch den Aktionsplan eingetretenen Belastungen zu überprüfen.
Hatte der bisherige Entwurf immerhin für Unternehmen im Eigentum des Bundes die Einführung einer verbindlichen menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht vorgesehen, will das Finanzministerium lediglich den möglichen Bedarf einer Empfehlung prüfen. Verbindliche Menschenrechtsauflagen werden auch als Bedingung für öffentliche Aufträge und die Außenwirtschaftsförderung abgelehnt. Überdies stellt das Ministerium die Umsetzung des gesamten Aktionsplans unter einen allgemeinen Finanzierungsvorbehalt. „Eine derart unverhohlene Blockade wäre ein Affront gegen alle Menschenrechtsverteidiger, die sich gegen Ausbeutung in Textilfabriken, Wasserverseuchung durch Bergwerke und Vertreibungen für Staudämme zur Wehr setzen“, mahnt Pirmin Spiegel, Hauptgeschäftsführer von Misereor. „Diese Blockadehaltung muss das Finanzministerium beim Treffen am Donnerstag aufgeben.“
Beim Gipfel in Elmau im vergangenen Jahr hatten die G7-Staaten die Privatwirtschaft noch „dringend aufgerufen“, „ihrer Sorgfaltspflicht auf dem Gebiet der Menschenrechte nachzukommen“ - nun lehnt das Finanzministerium schon den Begriff der „Sorgfaltspflicht“ für Unternehmen ab. Klaus Milke, Vorsitzender von Germanwatch, warnt: „Das Finanzministerium hintertreibt ausgerechnet die eigene Initiative der Bundesregierung und riskiert die internationale Glaubwürdigkeit der Kanzlerin. Wenn sich die Bundesregierung im kommenden Jahr nicht als Gastgeber des G20-Gipfels blamieren will, muss sie jetzt einen ambitionierten Aktionsplan vorlegen."
Verena Haan, Expertin für Wirtschaft und Menschenrechte bei Amnesty International in Deutschland, kritisiert: „ Indem das Finanzministerium die letzten zarten Ansätze verbindlicher Auflagen streicht, torpediert es jeglichen Fortschritt bei der Durchsetzung von Menschenrechten in der Wirtschaft. Menschen sind Rechtsverletzungen durch deutsche Unternehmen im Ausland weiterhin schutzlos ausgeliefert.“
Die Organisationen unterstützen eine Online-Kampagne für einen Aktionsplan mit gesetzlichen Regelungen siehe hier.
Hintergrundinformationen zum Nationalen Aktionsplan. Für weitere Informationen oder Interviewanfragen wenden Sie sich bitte an:
Amnesty International: 030 / 42 02 48 306, presse@amnesty.de
Brot für die Welt: Sarah Lincoln, Referentin für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte,
030/ 65211 1800, sarah.lincoln@brot-fuer-die-welt.de
Germanwatch: Cornelia Heydenreich, Teamleiterin Unternehmensverantwortung,
030 / 2888 3564, heydenreich@germanwatch.org
Misereor: Armin Paasch, Experte für Wirtschaft und Menschenrechte,
0241 / 442 515, Armin.Paasch@misereor.de