Brot für die Welt, medico international und Pro Asyl fordern eine Neuausrichtung der europäischen Flüchtlingspolitik. Sie müsse sich an Menschenrechten und Völkerrecht ausrichten. Die Weichen für eine faire, zukunftsfähige Migrationspolitik müssten in einem partnerschaftlichen Dialog mit den Herkunftsländern gestellt werden.
„Die sogenannten europäischen Kooperationsangebote sind in Wahrheit schmutzige Deals mit Regimen in denen eklatante Menschenrechtsverletzungen an der Tagesordnung sind“, kritisiert Ramona Lenz von medico international. Die gut bezahlten Abkommen wie etwa mit Libyen, Ägypten oder Eritrea markierten Tiefpunkte der europäischen Externalisierungspolitik.
Die Auslagerung von Verantwortung wird immer wieder artikuliert in Vorstößen zur Errichtung von Lagern und der Feststellung von Schutzbedürftigkeit außerhalb Europas – beispielsweise in Niger, dem weltweit zweitärmsten Land (HDI: Platz 187). Dort soll entschieden werden, wer ein Recht auf Schutz in Europa hat. Fluchtgründe sollen mithilfe des UN-Flüchtlingshilfswerks ermittelt werden, um für Einzelne einen Flüchtlingsstatus zu erwirken. „Das individuelle Recht auf Asyl wird in Europa durch Abwehrmaßnahmen unterlaufen. Europäisches Territorium und ein Asylverfahren in Europa sollen unerreichbar werden. Flüchtlinge werden der Schutzlosigkeit und eklatanten Rechtsverletzungen in Transitländern wie Libyen ausgeliefert“, mahnt Karl Kopp von Pro Asyl. Flüchtlinge müssten aber die Möglichkeit haben, in Europa Schutz zu suchen.
„Darüber hinaus brauchen wir eine echte Fluchtursachenbekämpfung“, sagt Sophia Wirsching von Brot für die Welt. Dafür müssten die Entwicklungsgelder von EU und Bundesregierung eingesetzt werden. „Entwicklungsgelder sollten eingesetzt werden, um Menschen zu schützen, ihnen nachhaltige Perspektiven zu schaffen und um friedliche Konfliktlösung zu fördern. Das Gegenteil ist der Fall, wenn unter dem Label Fluchtursachenbekämpfung Kooperationen mit autoritären und die Menschenrechte verletzenden Regimen eingegangen werden mit dem einzigen Ziel, Menschen von der Weiterflucht nach Europa abzuhalten. Hier werden Entwicklungsgelder zweckentfremdet und zudem eher neue Fluchtursachen geschaffen“, so Sophia Wirsching.
Libyen und Ägypten etwa erhalten offizielle Entwicklungsgelder aus dem EU-Treuhandfonds für Afrika für den Ausbau ihrer Grenzkontrollen. Die drei Organisationen fordern stattdessen nachhaltige Investitionen in die Zukunft der Menschen in ihren Herkunftsländern. Darüber sollten die Regierungen der Herkunfts- und Zufluchtsländer in einem partnerschaftlichen Dialog verhandeln. Im Zuge der Erreichung der nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen gehörten dazu auch legale Migrationsmöglichkeiten nach Europa. Vor allem dürfe die europäische Verantwortung nicht ausgeblendet werden, denn mit ihren Rüstungsexporten, ihrer Handels-, Klima- und Agrarpolitik trage die EU zu den Fluchtursachen bei.
Vom 29. bis 30. November findet das fünfte Gipfeltreffen der Europäischen Union (EU) und der Afrikanischen Union (AU) in Abidjan, Côte d‘Ivoire statt. Vertreterinnen und Vertreter der EU drängen darauf, Migration und Flucht auf die Agenda zu setzen, obgleich das offizielle Leitmotiv „Investitionen in die Jugend für eine nachhaltige Zukunft“ lautet. Als Erfolgsindikator für die Kooperationen mit Staaten wie Libyen oder Ägypten gelten sinkende Ankunftszahlen von Schutzsuchenden in Europa. Die Menschenrechte bleiben dabei auf der Strecke und Entwicklungsziele werden der Migrationskontrolle untergeordnet.
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