Brot für die Welt auf der weltgrößten Tourismusmesse ITB: Landrechtsverletzungen im Tourismus sind kein Einzelfall
Ganze Dörfer müssen dem Bau von Flughäfen weichen. Fischerfamilien verlieren den Zugang zum Strand, weil dort Hotels gebaut werden. Steigende Mieten verdrängen Bewohnerinnen und Bewohner aus beliebten Urlaubsorten. Landraub und Verdrängung durch Tourismus sind keine Einzelfälle, sondern ein ständiges Risiko der Tourismusentwicklung. Das bestätigt eine aktuelle Untersuchung von 25 Beispielen in Entwicklungs- und Schwellenländern. Anlässlich der Internationalen Tourismusbörse (ITB, 6.-10. März) fordert Brot für die Welt – Tourism Watch, die Auswirkungen des Tourismus auf die Landrechte stärker in den Blick zu nehmen.
„In der globalen Debatte um Landraub spielt der Tourismus bisher kaum eine Rolle“, sagt Laura Jäger, Tourismusexpertin von Brot für die Welt. „Dabei macht es für die Menschen keinen Unterschied, ob sie für Tourismus oder für den Rohstoffabbau von ihrem Land vertrieben werden. Es ist deshalb höchste Zeit, den Tourismus nicht länger als unschuldige Dienstleistungsbranche zu betrachten, denn sein Land- und Ressourcenverbrauch ist enorm.“ So sind auf der Insel Efate im südpazifischen Inselstaat Vanuatu die meisten Küstengrundstücke an Ausländer verpachtet, die dort Ferienwohnungen und Hotels betreiben. Zugang zum Strand haben meist nur zahlende Gäste, sodass die lokalen Fischerinnen und Fischer ihre Fanggründe nicht mehr erreichen können.
Tourismus sollte deshalb nicht nur als wirtschaftlicher Impulsgeber betrachtet werden. Laura Jäger: „Tourismus ist auch Risikosektor. Wir brauchen menschenrechtliche Folgeabschätzungen und die Garantie, dass lokale Gemeinschaften für eine neue Landebahn oder durch einen grenzüberschreitenden Nationalpark nicht ihre Lebensgrundlage verlieren.“
Die Fachstelle Tourism Watch von Brot für die Welt setzt sich dafür ein, dass Reiseveranstalter die Rechte der lokalen Bevölkerung auf ihr Land und ihren Zugang zu überlebenswichtigen Ressourcen wie Wasser, Forst- oder Weideland als zentrale Elemente in ihre Risikoanalysen integrieren. Nur so können sie sichergehen, nicht mit Hotels zusammenzuarbeiten, die mit Landraub in Verbindung stehen.
Die Studie zeigt auch: Politik und Wirtschaft mangelt es an klaren Richtlinien und langfristigen Strategien der nachhaltigen Tourismusentwicklung zum Wohle aller. Das Land der Menschen dient zumeist nur als Kulisse für das Urlaubsvergnügen. Die Rechte der Menschen vor Ort – etwa auf ihr Land oder auf den Zugang zu Wasser und Ressourcen – werden kaum geschützt. „Ein grundlegender Paradigmenwandel im Tourismus ist notwendig. Nur wenn Tourismus zur nachhaltigen Entwicklung beiträgt und die Lebenssituation der Menschen verbessert, wird er zum viel gepriesenen Entwicklungsmotor“, sagt Jäger.
Hinweise für Redaktionen:
Laura Jäger, Leiterin der Fachstelle Tourism Watch bei Brot für die Welt, steht für Interviews zur Verfügung. Sie ist während der ITB erreichbar unter 01727182459, sowie per E-Mail laura.jaeger@brot-fuer-die-welt.de
Aktuell 66: Vertreibung aus dem Paradies - Landraub und Verdrängung durch Tourismus. Brot für die Welt, 2019, 8 Seiten, www.tourism-watch.de/de/Aktuell65_Landraub
Pressekontakt: Renate Vacker, Pressesprecherin, 030 65211 1833, renate.vacker@brot-fuer-die-welt.de
Brot für die Welt – Tourism Watch auf der ITB (6. bis 10. März 2019)
Auch in diesem Jahr ist Brot für die Welt-Tourism Watch auf der internationalen Tourismusbörse mit einem Stand in Halle 4.1 der Messe Berlin, Stand-Nr. 257 sowie Veranstaltungen vertreten.
6. März, 16:00-17:00 Uhr / Halle 4.1 (Große Bühne) Podiumsdiskussion auf Englisch „Vertrieben aus dem Paradies: Tourismus-bedingter Landraub und Verdrängung“. Vorstellung einer von Tourism Watch in Auftrag gegebenen Analyse von 25 Fällen von Landraub und Vertreibung im Namen des Tourismus. Anschließende Diskussion mit:
• Prof. Andreas Neef (Fachbereich Entwicklung, Universität Auckland, Neuseeland, Autor der Studie),
• Dr. Mary Kristerie Baleva (ASEAN Center für Biodiversität, Philippinen),
• Sibylle Baumgartner (focusright, Schweiz).
Englischsprachige Grundlagenstudie: Andreas Neef: Tourism, Land Grabs and Displacement - A Study with Particular Focus on the Global South, 2019, 124 Seiten.