Brot für die Welt, Forum Fairer Handel und GEPA – The Fair Trade Company kritisieren, dass das gestern Abend vom Bundestag verabschiedete Gesetz zum Verbot von unfairen Handelspraktiken nicht weit genug geht. Zwar gehe das Gesetz über die Anforderungen der EU-Richtlinie über unlautere Handelspraktiken in der Agrar- und Lebensmittelversorgungskette hinaus. Zudem sei begrüßenswert, dass sich der Bundestag für eine unabhängige Ombudsstelle ausgesprochen hat, bei der auch Zulieferer aus Nicht-EU-Ländern Beschwerden über unlautere Handelspraktiken einreichen sowie unfaire Preise melden können. Es sei jedoch verpasst worden, existenzsichernde Einkommen und damit eine gerechtere Verteilung der Wertschöpfung im Lebensmittelhandel zu fördern. Die Preise, die Erzeugerinnen und Erzeuger für ihre Produkte erhalten, decken häufig nicht einmal die Produktionskosten. Um dies zu ändern, hätte ein Verbot des Einkaufs unterhalb der Produktionskosten in das Gesetz mitaufgenommen werden müssen, so Brot für die Welt, Forum Fairer Handel und die GEPA.
„Das sogenannte ‚Gesetz zur Stärkung der Organisationen und Lieferketten im Agrarbereich‘ und die vom Bundestag geforderte Ombudsstelle sind wichtige erste Schritte, um unfaire Praktiken von marktmächtigen Unternehmen in globalen Lieferketten zu unterbinden. Die Bundesregierung muss jetzt die Beschlüsse des Bundestages wirksam umsetzen und ausreichende Kapazitäten für Überwachung und Durchsetzung der Regelungen schaffen“, fordert Klaus Seitz, Leiter der Politikabteilung von Brot für die Welt. „Doch leider haben Bundesregierung und Bundestag die Chance verpasst, dem ruinösen Preiskampf im Lebensmitteleinzelhandel einen Riegel vorzuschieben und den Einkauf unterhalb der Produktionskosten als unlautere Handelspraktik in das Gesetz aufzunehmen. Damit bleibt auch vielen Bananenproduzentinnen und –produzenten in Peru beispielsweise der Weg zu existenzsichernden Einkommen und Löhnen verwehrt.“
Aufgrund ihrer Marktmacht können Supermarktketten ihren Lieferanten Preise diktieren. Der Kosten- und Preisdruck wird so entlang der Lieferkette an die Erzeugerinnen und Arbeiter weitergegeben – in Deutschland und Europa genau wie im Globalen Süden. Die Folge sind Einkaufspreise, die häufig nicht die Produktionskosten decken und damit Produzentinnen und Produzenten in Existenznot bringen und zu Hungerlöhnen bei angestellten Arbeiterinnen und Arbeitern führen. Das neue Gesetz hat diese Lücke nicht geschlossen. „Es muss doch selbstverständlich sein, dass Einkaufspreise die Produktionskosten decken. Immerhin hat der Bundestag trotz viel Gegenwind zumindest beschlossen, ein gesetzliches Verbot des Einkaufs von Lebensmitteln unterhalb der Erzeugerkosten zu prüfen. Die Bundesregierung sollte diese nun zügig durchführen und auch umsetzen, um den regelmäßigen Preiskämpfen der großen Lebensmitteleinzelhändler entgegenzuwirken“, fordert Andrea Fütterer, Vorstandsvorsitzende des Forum Fairer Handel.
Produzentinnen und Produzenten kämpfen seit Jahren mit steigenden Produktions-, Lebenshaltungs- und Transportkosten. So ist beispielsweise der EU-Einfuhrpreis von Bananen zwischen 2013 und 2018 um etwa 20 Prozent gesunken. Auch im November 2020 hatte Aldi angekündigt, den Einkaufspreis von Bananen zu senken, und das, obwohl der Lebensmitteleinzelhandel als Gewinner aus der Corona-Krise hervorgeht und seine Umsätze steigern konnte. Zudem hatte der Discounter zusammen mit zahlreichen anderen deutschen Einzelhandelsunternehmen noch im Januar 2020 eine Absichtserklärung unterzeichnet, sich entlang seiner globalen Lieferketten für existenzsichernde Einkommen und Löhne einzusetzen.
„Das Preisdumping im Bananensektor zeigt deutlich, dass Freiwilligkeit nicht ausreicht. Deshalb ist positiv zu bewerten, dass mit der Umsetzung der UTP-Richtlinie unfaire Handelspraktiken in der Lebensmittelversorgungskette in Zukunft auch sanktioniert werden können. Um existenzsichernde Einkommen und Löhne zu ermöglichen, muss aber auch die Preisfrage adressiert werden. Soziale und ökologische Kosten müssen eingepreist werden und die Preise müssen den Erzeugerinnen und Erzeugern und ihren Familien ein existenzsicherndes Einkommen und eine nachhaltige Produktionsweise ermöglichen. Fair-Handels-Unternehmen zeigen, dass faire Konditionen in globalen Lieferketten umsetzbar sind. Es braucht aber verbindliche Regeln für alle Unternehmen, um existenzsichernde Einkommen branchenweit zu ermöglichen“, bekräftigt Peter Schaumberger, Geschäftsführer der GEPA.
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