Die Handelsministerinnen und –minister müssen konkrete Vorschläge machen, wie die Staatengemeinschaft die schwere Ernährungskrise eindämmen soll. Das fordert Brot für die Welt zum Start der 12. Ministertagung der Welthandelsorganisation (WTO) in Genf. Zum einen muss verhindert werden, dass Russland die eigene und die ukrainische Weizenernte als Hungerwaffe einsetzt. Auch die G7-Staaten sind in der Pflicht: „Die wohlhabenden Industrieländer verfüttern und verheizen noch immer einen beträchtlichen Teil ihrer Getreideernten“, sagt Francisco Marí, Referent für Agrarhandel und Meerespolitik bei Brot für die Welt, „stattdessen sollten sie dem Weltmarkt zur Verfügung gestellt werden, um die Preise zu stabilisieren und Hunger zu verhindern.“
Die WTO-Agrarverhandlungen müssen den Entwicklungsländern ermöglichen, Nahrungsreserven zu bilden, um ihre Importabhängigkeit zu verringern. Dazu gehört auch der Abschluss eines Abkommens, das schädliche Subventionen in der Fischerei verbietet, um zu verhindern, dass die großen Fangflotten der Industrieländer die Fischgründe ärmere Ländern ausbeuten.
Brot für die Welt blickt mit Sorge auf aktuelle Entwicklungen in der Welthandelsorganisation. Außerhalb offizieller Formate und ohne klares Mandat der WTO verhandeln einzelne Staaten hinter verschlossenen Türen jene Themen, für die sie die Gesamtheit der WTO-Mitglieder nicht gewinnen konnten. Die Verhandlungen über ein Abkommen zum digitalen Handel etwa drohen die Konzentration von Daten und Profit in der Hand großer Digitalkonzerne zu vergrößern. „Aus Sicht zahlreicher zivilgesellschaftlicher Organisationen droht ein völkerrechtlich abgesicherter digitaler Kolonialismus“, warnt Sven Hilbig, Referent Handelspolitik und Digitalisierung bei Brot für die Welt.
Die Handelsministerinnen und –minister der WTO-Staaten werden sich auch mit der Frage der Patentaussetzung für Covid-19-Impfstoffe beschäftigen. Brot für die Welt begrüßt, dass eine Aussetzung der Impfstoff-Patente beschlossen werden könnte. Der Vorschlag, der bei der Tagung beschlossen werden soll, greift allerdings zu kurz, insbesondere, weil Diagnostika und Medikamente nicht einbezogen werden. „Gerade dort, wo Impfraten niedrig sind, ist es lebenswichtig, großflächig auf Covid-19 zu testen und Erkrankte medikamentös zu behandeln“, fordert Mareike Haase, Referentin für internationale Gesundheitspolitik bei Brot für die Welt. „Derzeit ist kaum eines der von der Weltgesundheitsorganisation empfohlenen Medikamente zur Behandlung von Covid-19 in Ländern mit niedrigem Einkommen verfügbar.“ Einzig eine umfassende Patentaussetzung (TRIPS-Waiver) könne in der Corona- und bei künftigen Gesundheitskrisen wirksam helfen.
Hintergrund:
Die 12. WTO-Minister:innentagung findet unter schwierigen Vorzeichen statt. Der Ukraine-Krieg hat die Vorbereitungen stark belastet und wird das Zusammentreffen der Minister und Ministerinnen aus mehr als 160 Staaten mitbestimmen. Es ist das erste Treffen nach einer mehr als viereinhalbjährigen Pause. Aufgrund der Corona-Pandemie musste die Konferenz zweimal verschoben werden. Im Zentrum des viertägigen Treffens steht, neben der Frage, ob und inwieweit Russland an den Gesprächen beteiligt sein wird, die Reform der Welthandelsorganisation sowie die Themen Fischerei, Agrarhandel, Patente von Corona-Impfstoffen und digitaler Handel.
Hinweise für Redaktionen:
Von Brot für die Welt stehen Ihnen in Genf und Berlin für Interviews zur Verfügung:
Francisco Marí, Referent Agrarhandel und Meerespolitik
+49 (0) 179 462 1783, francisco.mari@Brot-fuer-die-Welt.de
Sven Hilbig, Referent Handelspolitik und Digitalisierung
+49 (0) 170 29 18 161, Sven.Hilbig@Brot-fuer-die-Welt.de
Mareike Haase, Referentin Internationale Gesundheitspolitik
+162 283 5253, mareike.haase@brot-fuer-die-Welt.de
Weiterführende Informationen:
Ein Factsheet zum TRIPS-Waiver-Kompromissvorschlag von Amnesty International, Ärzte ohne Grenzen, Brot für die Welt und Oxfam Deutschland (April 2022) finden Sie hier.
Eine Publikation zu den Verhandlungen über ein Handelsabkommen zum digitalen Handel von Brot für die Welt (Juni 2022) finden sie hier:
Pressekontakt:Thomas Beckmann, PressesprecherTel.: 030 65211 1443, 0174 1810175thomas.beckmann@diakonie-katastrophenhilfe.de