Pressemeldung

EU-Institutionen diskutieren über Rohstoffgesetz

Zivilgesellschaftliche Organisationen fordern Nachbesserungen für Schutz von Umwelt und Menschenrechten

Mit großer Sorge blicken Umwelt- und Menschenrechtsorganisation in dieser Woche nach Brüssel. Mehrere EU-Institutionen, darunterder Industrieausschuss des EU-Parlaments und der Rat „Wettbewerbsfähigkeit“ der Mitgliedstaaten, diskutieren in den kommenden Tagen über das europäische Gesetz zu Kritischen Rohstoffen („Critical Raw Materials Act“). Die Organisationen warnen davor, dass der Gesetzentwurf in seiner jetzigen Form massive Risiken für Menschenrechte und Umwelt berge – er könne sogar die demokratische Teilhabe innerhalb und außerhalb der EU aushebeln. Werden sogenannte strategische Rohstoffprojekte, wie in dem Entwurf vorgesehen, als „übergeordnetes öffentliches Interesse" eingestuft, könnten sie zum Beispiel über Umweltschutz-belange gestellt werden. Rohstoffreiche Länder könnten zudem weiterhin auf die Rolle von Rohstofflieferanten und als lukrative Absatzmärkte für den Globalen Norden reduziert werden, befürchten die Organisationen.

„Reduktionsstrategien fehlen in dem Entwurf. Dies ist nicht nur ökologisch und menschenrechtlich fatal. Mehr Bergbau wird auch die Versorgungssicherheit nicht erhöhen, wenn wir weiterhin viele Kritische Rohstoffe nur zehn Jahre in der menschlichen Nutzung halten. So bleiben wir von nicht-demokratischen Staaten abhängig. Mit dem Gesetz zu Kritischen Rohstoffen suggeriert die EU, man könne einfach so weiter wirtschaften wie bisher, indem fossile durch metallische Rohstoffe ersetzt werden. Dabei entstehen zehn bis 15 Prozent der globalen CO2-Emissionen beim Bergbau oder der Weiterverarbeitung zu Metallen“, kritisiert Michael Reckordt, Teamleiter im Bereich Rohstoffe bei PowerShift.

„Der aktuelle Entwurf des Rohstoffgesetzes vernachlässigt im Bereich Kreislaufwirtschaft vollkommen die erheblichen Potentiale durch Abfallvermeidung, Wiederverwendung und Ressourceneffizienz. Zwar ist ein europaweites Recyclingziel für alle kritischen Rohstoffe enthalten, es fehlt aber an verbindlichen und konkreten Vorgaben für die Mitgliedsstaaten“, erläutert Barbara Metz, Bundesgeschäftsführerin bei der Deutschen Umwelthilfe e.V. „Die Deutsche Umwelthilfe fordert, dass ein Gesetz zur Sicherung der Rohstoffversorgung Europas auch konkrete Anforderungen für eine Reduktion des Bedarfs an Kritischen Rohstoffen enthalten muss. Ebenso braucht es Maßnahmen für den schnellen Aufbau regionaler Strukturen, z.B. für hochwertiges Recycling oder die Produktion von Ersatzteilen.”

Der Rohstoffsektor birgt massive Risiken für Menschenrechte und Umwelt. Auch Korruption spielt eine besorgniserregende Rolle. „Bei der Auswahl sogenannter strategischer Projekte müssen sowohl in der EU als auch in Drittländern hohe Umwelt- und Sozialstandards gelten. Auch No-Go-Zones, also Gebiete, in denen überhaupt kein Rohstoffabbau oder keine Verarbeitung betrieben werden darf, können hier einen wichtigen Beitrag leisten“, sagt Rohstoffexpertin Viktoria Reisch von Germanwatch. „Die Auflagen im aktuellen Entwurf gewährleisten dies allerdings nicht. Es muss sichergestellt werden, dass nur Unternehmen, die die Einhaltung von menschenrechtlichen und umweltbezogenen Sorgfaltspflichten nachweisen, für die Auswahl strategischer Projekte in Frage kommen.”

Pia Marchegiani, stellvertretende Direktorin der argentinischen Umweltorganisation FARN und Partnerorganisation von Brot für die Welt kommentiert: „Die Umsetzung zentraler Rechte wie das Recht auf Partizipation sowie das Recht auf freie, vorherige und informierte Zustimmung indigener und lokaler Gemeinschaften, wie sie im Escazú-Abkommen und in der ILO-Konvention 169 anerkannt werden, ist Aufgabe des Staates. Sie kann nicht an Unternehmen, Auditor*innen oder andere Dritte delegiert werden. Aus diesem Grund dürfen Industriestandards und Zertifizierungen keine Rolle im europäischen Gesetz zu Kritischen Rohstoffen spielen."

Hintergrund:
Das europäische Gesetz zu Kritischen Rohstoffen (Critical Raw Materials Act) soll die Versorgung mit wichtigen Rohstoffen für die Industrie im Bereich der Energiewende, Digitalisierung, Verteidigung und Raumfahrt innerhalb der EU sicherstellen. Die Europäische Kommission führt aktuell 34 Rohstoffe als kritisch auf, darunter Lithium und Kobalt. Die Ausschüsse des Europäischen Parlaments wollen nach der Sommerpause über das Gesetz abstimmen.

Kontakt:
Thomas Beckmann, Pressesprecher Brot für die Welt, thomas.beckmann@brot-fuer-die-welt.de, +49 (0)30 / 65211 1443
Vanessa Fischer, Pressesprecherin PowerShift, vanessa.fischer@power-shift.de, +49 (0)157 / 547 68 413
Barbara Metz, Bundesgeschäftsführerin Deutschen Umwelthilfe e.V, metz@duh.de, +49 (0)170 / 7686923
Stefan Küper, Pressesprecher Germanwatch, presse@germanwatch.org, +49 (0)151 / 252 110 72


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