Berlin, 16.07.2023. Der EU-Mercosur-Vertrag sichert der EU nicht nur ihren technologischen Vorsprung, er blockiert zudem eine nachhaltige Wirtschaftsentwicklung in den Ländern des Mercosur – Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie von Brot für die Welt. „Die Beziehungen zwischen EU und Mercosur müssen endlich auf Augenhöhe geführt werden“, sagt Dagmar Pruin, Präsidentin von Brot für die Welt. „In seiner aktuellen Fassung leistet das EU-Mercosur-Abkommen keinen Beitrag zu Armuts- und Emissionsminderung in Lateinamerika und sollte deshalb neu verhandelt werden.“
Seit Lula da Silva die Amtsgeschäfte in Brasilien wieder übernommen hat, erhoffen sich Bundesregierung und EU-Kommission den baldigen Abschluss des EU-Mercosur-Abkommens. Daher steht das Thema ganz oben auf der Agenda des EU-Lateinamerika-Karibik-Gipfel (17./18. Juli in Brüssel). Doch der brasilianische Präsident erteilte einem Handelsabkommen, das „unser Land zur ewigen Rolle des Rohstoffexporteurs verdammt“ bereits bei seiner Antrittsrede eine Absage. Stimmen aus der lateinamerikanischen Zivilgesellschaft warnen zudem davor, dass kleine und mittelständische Unternehmen durch einen Abbau der Zölle und - damit verbunden - steigende Importe aus Europa vom Markt verschwinden. Außerdem schränke das Abkommen den (staatlichen) Gestaltungspielraum ein, der notwendig wäre, um eine zukunftsfähige und nachhaltige Wirtschaft aufzubauen. Das Gegenteil sei der Fall: Arbeitslosigkeit und Armut würden steigen, die Umweltzerstörung weiter voranschreiten.
Viele politische Maßnahmen der Mercosur-Regierungen, die nachhaltige und lokale Wirtschaftsentwicklung unterstützen, werden mit dem Abkommen verboten. Dazu gehören etwa Vorschriften zur Verwendung von Mindestanteilen inländischer Produkte oder Investitionsauflagen. Stattdessen sollen bei Staatsaufträgen – die in Argentinien 13 Prozent und in Brasilien rund zwölf Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausmachen - die wettbewerbsfähigeren EU-Konzerne und deren günstigere Produkte den Vorzug erhalten. Zugleich verhindert die EU einen Austausch von Wissen und Technologie, wovon vor allem die Bereiche erneuerbare Energie und Zukunftstechnologie betroffen wären. „Die Mercosur-Staaten benötigen dringend Unterstützung, um den ökologischen Umbau ihrer Wirtschaft voranzubringen. Das Handelsabkommen wird ihnen dabei jedoch nicht helfen. Ganz im Gegenteil: Es behindert den Aufbau einer armutsreduzierenden nachhaltigen Wirtschaft im Mercosur“, sagt Pruin.
Obendrein soll das Abkommen der EU den ungehinderten Zugang zu vielen kostbaren Rohstoffen ermöglichen. „Die EU möchte wichtige Rohstoffe wie Lithium oder Eisenerz importieren und anschließend die damit hergestellten Produkte günstig in den Mercosur-Raum verkaufen. EU-Konzerne werden außerdem weiter in die fossile Energiewirtschaft in Südamerika investieren können“, fasst Pruin zusammen. „Dieser Umgang mit dem globalen Süden ist – gerade in Anbetracht von Klimakrise, Armut und wachsender Ungleichheit - vollkommen aus der Zeit gefallen.“
Hinweis für Redaktionen:
Die gesamte Studie „EU-MERCOSUR- Assoziierungsabkommen: Folgen für eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung im MERCOSUR“ und eine Kurzfassung finden Sie unter dem Blog von Sven Hilbig, Experte für Handelspolitik und Digitalisierung bei Brot für die Welt: https://www.brot-fuer-die-welt.de/blog/eu-mercosur-abkommen-neu-verhandeln/
Sven Hilbig steht für Nachfragen zur Verfügung. Anfragen bitte über die Pressestelle.