Die Stadtrandgebiete von São Paulo sind durch Armut und Gewalt geprägt. Kinder und Jugendliche, die in diesen „Favelas“ aufwachsen, haben kaum Zukunftschancen.
© Florian Kopp / Brot für die Welt
Fairness, Respekt und Eigenverantwortung erlernen Kinder und Jugendliche in einem Straßenfußball-Projekt in São Paulo. So entkommen sie dem Teufelskreis von Armut und Gewalt.
Sonntagmorgen auf dem Fußballplatz von Santo André, einem Vorort von São Paulo: Ein Dutzend Jungen und Mädchen rennen über den 10 mal 20 Meter großen Kunstrasen, dribbeln, schießen, gestikulieren, jubeln. Mittendrin: Maria Eduarda de Almeida Barbosa, genannt Duda. Die Zwölfjährige mit den langen Zöpfen und der Zahnspange läuft flink über den Platz, umkurvt mühelos ein paar Spielerinnen und Spieler der gegnerischen Mannschaft und passt den Ball dann zu ihrer Freundin Rebeca Falosi Ribeiro (14). Die nimmt ihn gekonnt mit dem linken Fuß an – was auch deshalb besonderes Geschick erfordert, weil sie barfuß unterwegs ist. Viele Kinder hier können sich keine Fußballschuhe leisten.
Egal, ob jung oder alt, arm oder reich: Die Begeisterung für den Fußball ist in Brasilien riesengroß. Der Sport ist dabei oftmals mehr als ein Zeitvertreib: In Santo André zum Beispiel spielen die Kinder und Jugendlichen nach den Regeln des „Futebol de Rua“, des südamerikanischen Straßenfußballs. Er wurde Anfang der 1990er Jahre erfunden, um die Jugendgewalt in den Armenvierteln der großen Städte einzudämmen. Unsere Partnerorganisation Açao Educativa (AE) hat die Pädagogik des Straßenfußballs weiterentwickelt. Im Großraum São Paulo fördert die Organisation an 26 Standorten rund 1.300 Kinder und Heranwachsende. „Wir sind kein Fußballverein. Uns geht es darum, junge Menschen zu stärken, damit sie selbstbewusst ihre Chancen erkennen“, erläutert Jane Meire da Silva. Zusammen mit vier Kolleginnen betreut die 38-Jährige die „Piratinhas“ (kleine Piraten) von Santo André.
Schaut man dem Treiben auf dem Platz zu, wird schnell deutlich: Hier geht es nicht nur ums Toreschießen, um Sieg oder Niederlage. Der Fokus liegt auf dem mannschaftlichen Zusammenspiel, auf Fairness und Respekt. Dazu ist das Spiel in drei „Halbzeiten“ unterteilt: Bevor die kurzen Spiele von 10 Minuten in wechselnden Teams starten, legen die Kinder in der ersten Halbzeit selbst die Regeln für ein faires und respektvolles Miteinander fest. Dazu zählt auch der Verzicht auf Schimpfworte. In der zweiten Halbzeit rollt dann der Ball. Dabei stehen das gemeinsame Streben nach Erfolg und das Eintreten füreinander im Vordergrund. Es wird miteinander gespielt, alle auf dem Platz werden einbezogen. In der dritten Halbzeit kommen die Teams dann mit den Betreuerinnen zusammen, werten das Spiel aus, sprechen knifflige Szenen an und räumen Streitigkeiten aus. Für Fairness und Respekt gibt es Zusatzpunkte. „Dadurch kann es passieren, dass ein Team gewinnt, auch wenn es nicht die meisten Tore geschossen hat“, erläutert Jane Meire da Silva.
Bei vielen Heranwachsenden trägt das Projekt zur Persönlichkeitsentwicklung bei. Das bestätigen auch die Eltern: „Meine Tochter hat sehr vom Angebot der Açao Educativa profitiert. Sie ist viel zielstrebiger geworden, und ihre schulischen Leistungen haben sich verbessert“, betont Rebecas Mutter Fabiana Aparecida Falosi. „Den Kindern werden über den Fußball Werte und Regeln vermittelt, die ihnen überall weiterhelfen.“ Rebecas Freundin Duda kann das bestätigen: „Es macht großen Spaß und ich habe auch schon viel gelernt“, erzählt das schlaksige Mädchen. „Beim Straßenfußball helfen wir einander und nehmen Rücksicht.“
„Duda hat eine tolle Entwicklung genommen, sie sagt den Jungs inzwischen selbstbewusst ihre Meinung“, berichtet Jane Meire da Silva. Auf die Integration von Mädchen wird bei den „Piratinhas“ großer Wert gelegt. Dass sie in gemeinsamen Teams mit den Jungen spielen, wäre vor einigen Jahren noch undenkbar gewesen. Doch die Betreuerinnen haben schon früh damit begonnen, tradierte Geschlechterrollen zu hinterfragen.
Duda ist stolz darauf, mit den „Piratinhas“ schon etliche Medaillen gewonnen zu haben. Die 12-Jährige träumt von einer Profikarriere als Fußballerin. Sie weiß aber auch, dass die schulische Ausbildung wichtig ist. Falls es mit dem Profifußball nicht klappen sollte, möchte sie am liebsten Sport studieren.
Hinweis: Die Spendenbeispiele sind symbolisch. Durch Ihre zweckungebundene Spende ermöglichen Sie uns dort zu helfen, wo es am dringendsten ist.
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