Lisbeth Ortega vermisst ihre 21-jährige Tochter Zumiko. Sie ist vor mehreren Jahren verschwunden.
© Florian Kopp / Brot für die Welt
Mehr als 100.000 Menschen gelten in Mexiko offiziell als verschwunden. Da die Behörden nichts unternehmen, um sie zu finden, suchen die Angehörigen auf eigene Faust nach ihnen. Eine Partnerorganisation von Brot für die Welt steht ihnen bei.
Alles kann eine Spur sein. Eine Kuhle im sandigen Boden, eine Jacke im Gebüsch, der Gestank nach Verwesung. Danach suchen sie, mitten in der Wüste Mexikos, viele schon jahrelang. „Das müssen wir tun, denn die Behörden interessieren sich nicht für uns“, sagt Lisbeth Ortega. Es sind Mütter, die ihre verschwundenen Kinder suchen. Schwestern suchen ihre Brüder, Ehefrauen ihre Gatten.
Sinaloa ist eine arme, raue Gegend im Westen Mexikos. Die Bevölkerung steht zwischen den Fronten des „Krieges gegen den Drogenhandel“, den der Staat gegen die Drogenkartelle führt. Offiziellen Statistiken zufolge sind in ganz Mexiko mehr als 40.000 Menschen im Zuge dieses Krieges verschwunden. Die meisten von ihnen sind unschuldige Zivilisten – so wie Lisbeth Ortegas 21-jährige Tochter Zumiko. Zumindest vermutet ihre Familie, dass sie in diesem Krieg umkam, aber solange ein Mensch verschwunden ist, gibt es keine Gewissheit über sein Schicksal, und das zermürbt.
Warum gerade sie, eine junge, kokette Frau, die gerne tanzte und ausging, der die Herzen zuflogen, die alle zum Lachen brachte? Diese Frage hat sich ihre Mutter oft gestellt. Sie weiß, dass es darauf keine Antwort gibt. Es kann jeden treffen in Mexikos Drogenkrieg. Es reicht, zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort zu sein. Mit der falschen Person zu reden, dem Falschen zu vertrauen oder zu gefallen.
Mit all ihrer Kraft stößt die Mutter ihre Schaufel in den harten Boden am Rande eines Sesamfelds. Lisbeth Ortega gehört dem Kollektiv „Rastreadoras de El Fuerte“ an (Spurensucherinnen von El Fuerte). Es wurde 2014 gegründet und ist benannt nach der Gegend, in der die Frauen nach ihren Angehörigen suchen. Das Büro der „Spurensucherinnen“ ist tapeziert mit Fotos von Verschwundenen. Zweimal pro Woche brechen die Mitglieder in sogenannten Suchbrigaden auf, um in der Wüste nach den sterblichen Überresten ihrer Liebsten zu graben.
Allein in Sinaloa gibt es sieben solcher Kollektive. Betreut werden sie von SERAPAZ, einer Partnerorganisation von Brot für die Welt. Ihre Mitarbeitenden bieten psychologische Unterstützung an, informieren über gerichtsmedizinische Methoden, begleiten die Betroffenen bei Behördengängen, schärfen ihr politisches Bewusstsein und vernetzen sie miteinander. So ist eine nationale Opferbewegung entstanden, der es zu verdanken ist, dass 2016 ein Gesetz zum Thema „Verschwindenlassen“ verabschiedet wurde.
Die Suchaktionen der Frauen sind immer wieder erfolgreich. Erst vor Kurzem fanden sie die sterblichen Überreste von Juan Carlos, dem Sohn einer „Spurensucherin“, wie sich nach DNA-Proben herausstellte. Für die Familie bedeutet das Gewissheit. Es ist eine schreckliche Gewissheit, aber sie können nun trauern. An der Fundstelle in der Wüste steht bereits ein kleines, schwarzes Metallkreuz und zeugt von Juan Carlos und dem Verbrechen an ihm. „Wir haben schon viel erreicht, aber wir werden so lange weitermachen, bis auch der letzte Vermisste gefunden ist“, sagt Lisbeth Ortega.
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