Während des Völkermords im Jahr 1994 wurden in Ruanda fast eine Million Menschen brutal ermordet. Die psychischen Folgen für die Überlebenden sind bis heute immens.
© Christoph Püschner/Brot für die Welt
Seit dem Völkermord an den Tutsi im Jahr 1994 sind viele Menschen in Ruanda traumatisiert. Bis heute gibt es jedoch kaum professionelle Hilfe von Psychologinnen und Psychologen. Unsere Partnerorganisation Trauma Help Rwanda will das ändern. Sie wendet sich besonders an Jugendliche.
Im Klassenraum der Groupe Scolaire Ruyenzi ist es still. Die Jugendlichen der weiterführenden Schule sitzen dicht gedrängt auf Holzbänken und schauen gebannt ihren sechs Mitschülerinnen und -schülern zu, die ein Theaterstück aufführen. Darin belästigen zwei Männer junge Mädchen. Nur deren Mut ist es zu verdanken, dass die Täter festgenommen werden. Denn sie schweigen nicht, sondern sprechen über ihre Erlebnisse, obwohl diese unangenehm und angsteinflößend waren. Die Vorstellung beeindruckt, und der Kurs applaudiert. Auch Dieudonné Tuyikunde hat aufmerksam zugeschaut.
Der Ausgang des Stücks ist unüblich für Ruanda. Grausame Erinnerungen werden in dem ostafrikanischen Staat oft totgeschwiegen. Gerade auf dem Land fehlt es an professioneller Hilfe von Psychologinnen und Psychologen. Eine Aufarbeitung ist so nicht möglich, und mitunter wird das Trauma sogar unfreiwillig an die nächste Generation weitergegeben. Studien zufolge verhält es sich auch mit dem Völkermord von 1994 so. Damals wurden innerhalb von nur 100 Tagen fast eine Million Menschen brutal ermordet. Die meisten von ihnen gehörten der ethnischen Minderheit der Tutsi an. Die psychischen Folgen für die Überlebenden sind bis heute immens. Jedes Jahr zwischen April und Juli, jenen Monaten, in denen der Genozid stattfand, fällt das Land in eine Art Schockstarre.
Über all das wird in diesem Klassenzimmer in der Kleinstadt Ruyenzi gesprochen. Denn hier trifft sich regelmäßig der Anti-Trauma-Club, den unsere lokale Partnerorganisation Trauma Help Rwanda aufgebaut hat. Der Club will über das Thema Trauma aufklären und Betroffenen Hilfsmöglichkeiten aufzeigen. Als das Projekt begann, hatte er 20 Mitglieder. Doch die Jugendlichen haben längst ihre Freundinnen und Freunde mitgebracht. Inzwischen kommen regelmäßig mehr als 30 Personen zu den Sitzungen, und das Interesse wächst weiter. Der Bedarf sei enorm, sagt Schulleiterin Thérèse Nyinawumwami (66): „Unsere Schülerinnen und Schüler müssen mit vielen Wunden leben.“ Zwar lässt sich nicht immer eindeutig klären, was letztendlich ein Trauma ausgelöst hat. Eins ist für die Pädagogin jedoch klar: „Diese Jugendlichen brauchen Hilfe.“
Doch häufig werden die Symptome, die auf ein Trauma hindeuten, nicht erkannt. Das kann Leistungsabfall in der Schule sein, ein plötzlicher Rückzug oder generelles Desinteresse. Im Klassenzimmer diskutieren die Jugendlichen darüber und schreiben alles an die Tafel. Sie sollen lernen, Veränderungen ihrer Mitschülerinnen und Mitschüler wahrzunehmen, sie anzusprechen und Hilfe zu holen. An der Groupe Scolaire Ruyenzi haben fünf Lehrkräfte dazu eine Ausbildung absolviert. Wenn sich keine Lösung mehr finden lässt, werden die Betroffenen an die nahe gelegene Gesundheitsstation überwiesen. Auch für das dortige medizinische Fachpersonal hat Trauma Help Rwanda Workshops organisiert.
Dieudonné Tuyikunde beobachtet still, aber sehr aufmerksam, was die übrigen Kursteilnehmenden aufschreiben. Für die Mitgliedschaft im Anti-Trauma-Club hat sich der ruhige junge Mann ganz bewusst entschieden. Vor seiner Geburt wurde seine Mutter von einem Familienangehörigen vergewaltigt. Als sie schwanger wurde, versuchte der Täter, sie zu einer Heirat zu zwingen. Doch sie wehrte sich erfolgreich dagegen. Indem er offen über sexualisierte Gewalt in seiner Familie spricht, bricht Dieudonné Tuyikunde ein Tabu. Er will nicht länger schweigen, sondern erklären, warum er keinen Kontakt zu seinem Vater hat. Möglich gemacht hat das seine Mitgliedschaft im Anti-Trauma-Club: „Es hat mir gutgetan, über alles zu reden.“
Hinweis: Die Spendenbeispiele sind symbolisch. Durch Ihre zweckungebundene Spende ermöglichen Sie uns dort zu helfen, wo es am dringendsten ist.
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