Die Armut in Südafrika ist groß. Die Jugendarbeitslosigkeit zählt zu den höchsten weltweit. Besonders trostlos ist die Lage im Johannesburger Stadtteil Hillbrow.
© Mark Lewis / Brot für die Welt
Die Jugendarbeitslosigkeit in Südafrika zählt zu den höchsten weltweit. Besonders trostlos ist die Situation im Johannesburger Stadtteil Hillbrow. Die Probleme: Kriminalität, Drogenhandel, sexuelle Gewalt. Doch einen Hoffnungsschimmer gibt es auch.
Als Stevie Mbourangon zum ersten Mal durch das Eingangstor der Outreach Foundation ging, war sie sprachlos: Gerade noch hatte sich die 21-Jährige zwischen Tausenden durcheinanderwuselnden Fußgängern hindurchmanövriert, den Schmutz der Straße und das aufdringliche Geschrei der Verkäufer ertragen. Und nun: Stille, ein Gewächshaus, ein moderner Ballettsaal, zahllose Unterrichtsräume sowie eine kleine alte Kirche. Eine Freundin hatte Stevie davon erzählt, dass in diesem Zentrum der Evangelisch-Lutherischen Kirche zahlreiche Ausbildungskurse angeboten werden – darunter ein Nähkurs. „Alles, was mit Kleidern zu tun hat, fasziniert mich“, sagt Stevie. Sie erkundigte sich nach dem Preis – und es verschlug ihr die Sprache: Ein zwei Monate langer Kurs kostet gerade mal 300 Rand, umgerechnet gut 15 Euro. „So viel verlangen andere für einen einzigen Tag.“
Zwei Jahre zuvor hatte Stevie, die in der Republik Kongo zur Welt kam, ihr Abitur gemacht. Obwohl sie eine gute Schülerin gewesen war, fand sie keinen Job. Kein Wunder: Die Arbeitslosenquote unter Jugendlichen liegt in Südafrika bei 70 Prozent. Wie so viele andere versuchte Stevie, sich irgendwie durchzuschlagen. Sie verkaufte gebrauchte Klamotten, die sie in den Altkleidercontainern am Johannesburger Bahnhof entdeckte. „Ich habe ein gutes Auge“, sagt sie: „Ich sehe sofort, was ein gutes Kleidungsstück ist, und was zusammenpasst.“ Dass es mit ihren dürftigen Einnahmen aus dem Kleidergeschäft nicht weitergehen konnte, war auch Stevie bald klar: Von ihren Eltern, die noch immer im Kongo leben, kann sie keine Hilfe erwarten. Und ihre Tante Audrey, bei der Stevie wohnt, verdient gerade genug, um ihre drei Töchter durchzubringen.
Seit zwei Monaten sucht Stevie nun zweimal die Woche die Oase der Outreach Foundation auf. In einem der Unterrichtsräume haben sich heute bereits ihre Kolleginnen für den Nähkurs eingefunden – und zwei junge Männer, mit denen Stevie gerne scherzt. „Wenn ich mal eine berühmte Modemacherin bin, werde ich dich vielleicht als Näher anstellen“, stichelt sie den 19-jährigen Newman. „Dann mache ich Joe Bidens Anzüge und fahre mit meinem Porsche durch die Gegend.“ Alle lachen, auch Lehrerin Mary Mawela. An der Wand hängen die ersten Produktionen der Klasse: Kochschürzen und Röcke, heute sind Hemden dran. Vor allem die Krägen stellen Stevie & Co auf die Probe: „Dein Hemd sieht aus wie das eines Priesters“, stichelt Newman zurück.
Der Nähkurs ist nur eines von vielen Angeboten der Outreach Foundation: dazu gehören auch IT-, Koch-, Maurer-, Klempner-, Beauty-, Musik- und Tanzkurse. Nicht zu vergessen: die Arbeit der psychosozialen Beraterinnen. Sie stehen Migrantinnen und Migranten bei, die um ihr Aufenthaltsrecht kämpfen; helfen Jugendlichen, die drogenabhängig sind, kümmern sich um Menschen ohne Obdach und Halt. Die Wirtschaftsnot, die sich in der Pandemie dramatisch verschärft hat, führt immer mehr Hilfesuchende zu ihnen.
Ein neuer Tag, ein neues Outfit: Stevie Mbourangon verwendet große Sorgfalt, wenn sie ihre Kleidung zusammenstellt. „Ich mag es, wenn mir die Leute nicht ansehen, wie arm ich bin“, sagt sie. Irgendwann würde sie gerne ein Modegeschäft mit eigenem Label eröffnen. Zuvor muss sie allerdings noch ein paar Hindernisse aus dem Weg räumen: Zum Beispiel, dass ihr nach dem Ende ihres Kurses erstmal keine Nähmaschine mehr zur Verfügung stehen wird. „Doch irgendwie werde ich auch dieses Problem lösen“, sagt Stevie – und legt los.
Hinweis: Die Spendenbeispiele sind symbolisch. Durch Ihre zweckungebundene Spende ermöglichen Sie uns dort zu helfen, wo es am dringendsten ist.
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