Ungarn

Feindbild Flüchtling

Ungarn stand 2015 und 2016 im Zentrum der Flucht über die Balkan-Route. Die Regierung von Victor Orbán reagierte darauf mit dem Bau eines Grenzzauns und einer extrem rigiden Einwanderungspolitik. NGOs, die das kritisieren und sich für Flüchtlinge einsetzen, werden kriminalisiert.

Die politische Lage in Ungarn

  • CIVICUS-Einstufung: beschränkt
  • Bis zu ein Jahr Gefängnis für Menschen, die Flüchtlingen helfen
  • Mehrere Millionen Euro teure Plakat-Aktion gegen George Soros 

Bei der Parlamentswahl am 8. April 2018 wurde die nationalkonservative Partei Fidesz (Ungarischer Bürgerbund) von Premier Victor Orbán wieder stärkste Kraft und errang zwei Drittel der Parlamentssitze. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) bezeichnete den Ablauf der Wahlen als unfair: „Einschüchternde und fremdenfeindliche Rhetorik, voreingenommene Medien und undurchsichtige Wahlkampffinanzierung“ hätten einen Wettbewerb auf Augenhöhe ausgeschlossen.

In dem EU-Mitgliedsland Ungarn gehören fast alle großen Zeitungen, Radio- und Fernsehsender Oligarchen, die der Regierung nahestehen. Die Medien unterstützten Orbán im Wahlkampf dabei, seine Vision einer „illiberalen Demokratie“ zu verbreiten, die sich auf eine homogene Gesellschaft stützt. Offene Grenzen und Einwanderung lassen sich mit dieser Ideologie nicht vereinen.

Gefängnisstrafe für humanitäre Hilfe

Nur zwei Monate nach seiner Wiederwahl gelang es Orbán, das umstrittene „Stop-Soros-Gesetz“ durchzubringen. Das vom ungarischen Parlament am 20. Juni 2018, dem Weltflüchtlingstag, verabschiedete Gesetz ist ein offener Angriff gegen alle, die in Ungarn in der Flüchtlingshilfe tätig sind oder solche Arbeit finanziell fördern. Mit dem erklärten Ziel „zu verhindern, dass Ungarn ein Migrationsland wird“, wurde als neues Delikt die „Unterstützung illegaler Einwanderung“ in das Strafgesetzbuch eingeführt.

Es kriminalisiert Anwält*innen und NGO-Mitarbeitende, die Flüchtlinge bei der Wahrnehmung ihrer Rechte im Asylverfahren beraten oder Informationsmaterial dazu herstellen und verbreiten. Solche legalen Tätigkeiten, die nach internationalem Recht sogar geboten sind, werden in Ungarn künftig mit bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe bestraft. Schon im Juni 2017 hatte das ungarische Parlament ein so genanntes Transparenz-Gesetz verabschiedet, das NGOs die Finanzierung erschwert und sie stigmatisiert.

Aktivisten verlassen Ungarn wegen Repressionen

Mit rund 60.000 NGOs hat Ungarn eine sehr lebendige und robuste Zivilgesellschaft, deren Handlungsspielraum aber aufgrund der zunehmenden Repressionen schrumpft. Die Gesetzesverschärfungen werden begleitet von öffentlichen Diffamierungen zivilgesellschaftlicher Akteur*innen durch Vertreter*innen der Regierungspartei. Einige Akteur*innen der kritischen Zivilgesellschaft in Ungarn haben inzwischen entschieden, dass sie dem nicht länger standhalten wollen. Im Mai 2018 verkündete die Open Society Foundation, dass sie ihr Büro in Budapest schließen und nach Berlin umziehen werde. Die letzte Ausgabe der Magyar Nemzet, einer der letzten kritischen Tageszeitungen, erschien drei Tage nach der Wiederwahl Orbáns im April 2018.

„Der ungarische Staat hat erst selbst die Förderung gestoppt und dann untersagt, dass sich NGOs für EU-Zuschüsse bewerben“, sagt Tibor Hajdú von der ungarischen evangelisch-lutherischen Diakonie. „Private Spender*innen aus Ungarn müssen Angst haben, sich strafbar zu machen, wenn sie Geld für die Unterstützung von Flüchtlingen spenden.“ Er erwarte, dass die EU und ihre Mitgliedstaaten die Forderungen der ungarischen Zivilgesellschaft unterstützen und Druck auf Ungarn ausüben, sich an internationales und EU-Recht zu halten.

Material zum Mitnehmen

Atlas der Zivilgesellschaft 2019

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