Gesichter der Revolution
Nach drei Jahrzehnten der Diktatur gelang es der sudanesischen Bevölkerung im Frühjahr 2019, den Diktator Omar al-Bashir zu stürzen. Frauen spielten dabei eine wichtige Rolle. Ein Übergangsrat aus Militär und Zivilbevölkerung soll jetzt ein demokratisches System aufbauen.
Die politische Lage
- CIVICUS-Einstufung: geschlossen
- 7 Millionen Menschen sind derzeit auf humanitäre Hilfe angewiesen.
- Mädchen dürfen ab dem Alter von zehn Jahren zwangsverheiratet werden.
Es war an einem Montag im April, als die Architekturstudentin Alaa Salah in einer strahlend weißen Robe auf einem Autodach für die Demonstrantinnen und Demonstranten sang. Heute gilt sie international als Symbol des Aufstands im Sudan. Sie steht stellvertretend für eine sehr junge und zu großen Teilen von Frauen getragene Protestbewegung im Sudan. Die über Monate andauernde öffentliche Belagerung der Regierungsgebäude, Protestmärsche und schließlich der Putsch des Militärs setzten der autoritären Herrschaft des Präsidenten al-Bashir nach fast dreißig Jahren ein Ende. Al-Bashir hatte sich 1989 mithilfe des Militärs und mit Unterstützung von Islamisten selbst an die Macht geputscht. Seit April 2019 sitzt er im Gefängnis.
Ende August 2019 bildete sich im Sudan eine Übergangsregierung mit Vertretern des Militärs und Vertreterinnen und Vertretern der Protestbewegung. Der sogenannte Oberste Rat soll das Land nach teils blutigen Auseinandersetzungen durch eine Übergangszeit von drei Jahren führen.
Enger Spielraum für die Zivilgesellschaft
Die Probleme des Sudan sind immens: Infolge der Unabhängigkeit des Südsudans 2011, büßte das verbleibende Land rund drei Viertel seiner Erdölvorkommen ein. Seitdem lähmt den Sudan eine Wirtschafts- und Finanzkrise. Inflationsraten von bis zu 70 Prozent und eine abrupte Erhöhung des Brotpreises hatten entscheidend zur Entstehung der Proteste gegen al-Bashir beigetragen.
An den Protesten gegen al-Bashir beteiligten sich viele Sudanesinnen und Sudanesen sowie Organisationen der Zivilgesellschaft. Während der drei Jahrzehnte dauernden autoritären Herrschaft war der Raum für den Aufbau unabhängiger, politisch agierender zivilgesellschaftlicher Organisationen eng. In der Vergangenheit gab es viele Festnahmen von Oppositionellen, Journalistinnen und Journalisten sowie Vertreterinnen und Vertretern humanitärer Hilfsorganisationen. Auch die Pressefreiheit ist nahezu völlig außer Kraft gesetzt. Ob sich die Möglichkeiten für zivilgesellschaftliche Organisationen insgesamt verbessern, bleibt abzuwarten. Ein positives Zeichen ist, dass kürzlich 14 Nichtregierungsorganisationen, die 2009 ausgewiesen wurden, ihre Arbeit im Sudan wiederaufnehmen durften.
No to Women’s Oppression!
Schon in den 1960er-Jahren erstritten sudanesische Frauen das Recht auf politische Teilhabe und gleichen Lohn. Doch viele der damals errungenen Fortschritte wurden seit der Machtergreifung der National Islamic Front 1989 unter al-Bashir zunichtegemacht. Frauen werden in fast allen Bereichen des politischen und gesellschaftlichen Lebens diskriminiert. 1996 wurde das Public Order Law eingeführt. Es enthält Vorschriften, die die Kleidung und das Benehmen insbesondere von Frauen in der Öffentlichkeit regeln. „Anstößiges“ Verhalten wird mit Strafen wie Auspeitschen, Bußgeld und Haft geahndet. Inzwischen hat die Übergangsregierung das Gesetz aufgehoben.
Im Jahr 2009 formierte sich die Bewegung No to Women’s Oppression, nachdem eine Journalistin wegen „sittenwidriger“ Kleidung festgenommen worden war. Die Bewegung trug mit dazu bei, dass immer mehr Frauen den Mut fanden, öffentlich über erlebte sexualisierte Gewalt zu sprechen sowie Übergriffen durch Sicherheitsbehörden entgegenzutreten. Viele Frauenorganisationen sahen sich ebenso wie andere Nichtregierungsorganisationen bisher mit Einschränkungen durch die Behörden konfrontiert. Ihnen wurde die Registrierung verweigert, die Ausweitung von Projektaktivitäten untersagt und Veranstaltungen verboten. In der jetzigen Übergangszeit sind zumindest vier Frauen im Kabinett vertreten, außerdem wurde als oberste Richterin des Landes eine Frau ernannt.
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