Zivilgesellschaft weltweit massiv unter Druck
Viele Staaten haben es Menschen noch schwerer gemacht, sich gegen soziale Ungerechtigkeit, Diskriminierung oder Umweltzerstörung zu engagieren. Die Corona-Pandemie hat diese Entwicklung verstärkt, ist aber nicht der Hauptgrund dafür.
Nur zwölf Prozent sind frei
Weltweit können nur noch rund zwölf Prozent der Menschen weitgehend ungehindert ihre Meinung sagen, sich versammeln und gegen Missstände kämpfen. Sie leben in offenen Gesellschaften (drei Prozent) oder beeinträchtigten (neun Prozent). Das ist ein deutlicher Rückgang gegenüber 2019, als es annähernd 18 Prozent waren. 6,8 Milliarden Menschen dagegen gehören geschlossenen, unterdrückten oder beschränkten Gesellschaften an. Damit haben es knapp 88 Prozent der Menschheit mit Regierungen zu tun, die ihre Grundrechte beschneiden, sie drangsalieren, verfolgen, foltern oder sogar töten.
Den Zustand der Zivilgesellschaft messen
Der Atlas der Zivilgesellschaft 2021 greift auf die Ergebnisse des CIVICUS-Monitors zurück, der weltweit umfassendsten Dokumentation zum Zustand der globalen Zivilgesellschaft. Die Nichtregierungsorganisation CIVICUS beobachtet dafür 194 Mitgliedstaaten der UN sowie Palästina und Taiwan (Province of China). Analystinnen und Analysten werten laufend Berichte von hunderten lokalen Nichtregierungsorganisationen und internationalen Partnerorganisationen aus sowie öffentliche Quellen. CIVICUS misst den Einschätzungen lokaler und regionaler Akteure dabei stärkere Bedeutung bei als jenen internationaler Experten. Daten staatlicher Stellen werden nicht berücksichtigt. Am Ende steht ein Index-Wert für jedes Land, der den Umfang der zivilgesellschaftlichen Handlungsmöglichkeiten beschreibt.
Beschränkungen in der EU
Auch in der Europäischen Union werden Grundrechte beschränkt. Nur 173 Millionen von 445 Millionen Menschen leben hier in offenen Gesellschaften. Das sind immerhin rund sechs Millionen mehr als im Vorjahr, weil Österreich sich von „beeinträchtigt“ zu „offen“ verbessert hat, Slowenien hingegen in die Kategorie „beeinträchtigt“ abgestiegen ist. Beeinträchtigt sind die Grundrechte in zwölf Staaten mit 262 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern, also knapp 59 Prozent der EU-Bürger. Die etwa zehn Millionen Menschen in Ungarn haben es mit einer autoritären Regierung zu tun, die ihren Bürgerinnen und Bürgern nur beschränkten Handlungsspielraum zubilligt.
Entwicklung in den Weltregionen
In Nord-, Mittel- und Südamerika fällt auf, wie der Respekt vor dem zivilgesellschaftlichen Freiraum in Ländern abnimmt, die zuvor stolz auf die Achtung der grundlegenden Freiheiten waren oder in denen es in den vergangenen Jahren noch Verbesserungen zu verzeichnen gab. Costa Rica wurde von „offen“ auf „beeinträchtigt“ zurückgestuft, drei weitere Länder sanken von „beeinträchtigt“ auf „beschränkt“. Doch auch Länder, die nicht eine ganze Stufe abgestiegen sind, entwickeln sich in die falsche Richtung, etwa El Salvador und Kolumbien.
Für Asien gilt dasselbe. Die Philippinen sanken von „beschränkt“ zu „unterdrückt“, und als weiteres Beispiel für Unterdrückung dient Kambodscha. In der Weltregion Naher Osten und Nordafrika gibt es die meisten Länder in der Kategorie „geschlossen“, in die nun auch der Irak abgestiegen ist. In Afrika südlich der Sahara nimmt der zivilgesellschaftliche Freiraum ebenfalls weiter ab. Vier Länder sind von „beeinträchtigt“ nach „unterdrückt“ abgestiegen, nur zwei aufgestiegen, von „geschlossen“ zu „unterdrückt“.
Corona als Vorwand für Repression
Menschen protestierten, um politische und strukturelle Veränderungen zu erreichen, unter anderem in Chile, Hongkong und Nigeria. In den USA brachen nach der Ermordung des Schwarzen George Floyd durch einen Polizisten im ganzen Land massive Proteste gegen Rassismus und Polizeigewalt aus. In Belarus und Kirgisistan forderten Menschen freie Wahlen. Als die Pandemie die vielerorts ohnehin schon schlechte wirtschaftliche Lage weiter verschärfte, forderten die Menschen in vielen Ländern Nahrungsmittel und bessere Arbeitsbedingungen, etwa in Venezuela und Simbabwe.
Doch anstatt die Ursachen für die Unzufriedenheit anzugehen, konzentrierten sich viele Regierungen darauf, Rechte zu beschränken und Repression auszuüben. Die Analysen von CIVICUS und Brot für die Welt belegen eindeutig, dass viele Beschneidungen der zivilgesellschaftlichen Handlungsspielräume nicht das Virus bekämpfen, sondern repressive Regierungen stützen. Sie helfen dabei, die bürgerlichen Freiheiten noch weiter einzuschränken und Kritikerinnen mundtot zu machen.
Mehr gemeldete Fälle als im Vorjahr
Die Analyse von CIVICUS zeigt, dass die Zahl der dokumentierten Grundrechtsverletzungen innerhalb eines Jahres von 1.126 auf 1.455 gestiegen ist. Die Verhaftungen von Aktivisten und Journalistinnen haben dabei ebenso zugenommen (von 250 auf 405) wie Schikanen und Einschüchterungen von Kritikerinnen (von 250 auf 340) oder die Angriffe auf Journalisten (von 118 auf 143). Bei diesen Werten handelt es sich nicht um die Anzahl der tatsächlichen Verstöße, sondern um die von Partnerorganisationen an CIVICUS berichteten Fälle. Sie zeigen exemplarisch, wie Grundfreiheiten weiter abnehmen, auf der ganzen Welt.
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