Mexiko

Verwanzt und ausgespäht

Kein Land hat die Spionage-Software Pegasus so exzessiv genutzt wie Mexiko. Daher lässt sich hier genau beobachten, wie die Schadsoftware wirkt und welch katastrophale Folgen sie für die Zivilgesellschaft hat.

Heimlich, still und sehr gefährlich

Sie wird auf Smartphones gespielt, agiert völlig unbemerkt und horcht ihre Opfer aus: die Schadsoftware Pegasus. Im Sommer 2021 hat ein internationales Recherche-Konsortium herausgefunden, dass diese Software weltweit zum Einsatz kommt. In Mexiko lässt sich genau beobachten, wie Pegasus wirkt, wie digitale Überwachung dazu beiträgt, politische Gegner auszuschalten, wie die Zivilgesellschaft dadurch geschwächt und Misstrauen gesät wird, wie Mächtige über finstere Methoden ihre Macht ausbauen und diejenigen unter Druck setzen, die für ein freieres Land kämpfen.

Pegasus wird weltweit eingesetzt

Die Recherchen eines internationalen Netzwerks, die als Pegasus Project bekannt geworden sind, basieren auf einem Datenleak mit 50.000 Telefonnummern jener Personen, die weltweit ins Visier der Spionage-Software geraten sind. Allein 15.000 Nummern davon sind mexikanische. Die Menschenrechtsorganisation Consorcio Oaxaca, ein Partner von Brot für die Welt, hat bisher 109 Menschenrechtsverteidiger und 27 Journalistinnen identifiziert, die mit Pegasus ausspioniert wurden. Hersteller der Software ist die israelische NSO Group. Insgesamt bezahlten mexikanische Behörden der NSO rund 300 Millionen US-Dollar.

Smartphone als Wanze

Staaten nutzen Pegasus vorrangig zur Verbrechensbekämpfung oder Terrorabwehr. Dass sie es aber auch massiv einsetzen, um Regimekritiker, Oppositionelle und zivilgesellschaftliche Initiativen auszuhorchen, wurde erst durch die Recherchen bekannt. Der Markt für Spionagesoftware ist völlig unreguliert.

In Mexiko teilten Amnesty International und Forbidden Stories die Daten mit Aristegui Noticias, dem nach seiner Gründerin Carmen Aristegui benannten Online-Recherchemagazin. Aristegui war eine der ersten, die eine Pegasus-Infektion auf ihrem Telefon feststellte, nachdem sie über dubiose Immobiliengeschäfte des umstrittenen Ex-Präsidenten Enrique Peña Nieto berichtet hatte. Mehr als 20 Textnachrichten mit unscheinbaren, aber bösartigen Links erhielt sie 2015/16. Angegriffen wurden auch Telefone von Aristeguis Kolleginnen und Familienmitgliedern, sogar das ihres damals 16 Jahre alten Sohnes. „Es ist eine Schadsoftware, die deine Kamera aktiviert, dein Mikrophon, alles, was ein integraler Teil deines Lebens ist“, berichtet Aristegui. Ein infiziertes Smartphone wird so unbemerkt zur Wanze.

Auch Brot für die Welt-Partner betroffen

Pegasus durchzieht die mexikanische Gesellschaft. Man kann in der Hierarchie ganz oben anfangen und stößt dann auf das wohl prominenteste Opfer, den heutigen Staatspräsidenten López Obrador, AMLO genannt. Als er noch Oppositionspolitiker und Spitzenkandidat der Mitte-Links-Partei Morena war, war sein Umfeld ein potenzielles Ausspähziel. Im Zusammenhang mit dem Fall der 2015 verschwundenen 43 Studenten der Escuela Normal Rural „Raúl Isidro Burgos“ wurden auch die Smartphones der Angehörigen mit Pegasus angegriffen, die Telefone von zivilgesellschaftlichen Organisationen ‒ darunter allein vier Partner von Brot für die Welt ‒ sowie der „Interdisziplinären Gruppe unabhängiger Experten“, einem Gremium der Interamerikanischen Kommission für Menschenrechte (GIEI). In den Daten fanden sich auch die Nummern des Anthropologen Abel Barrera sowie des Rechtsanwalts Vidulfo Rosales, die mit der Menschenrechtsorganisation Tlachinollan, einem weiteren Partner von Brot für die Welt, die Eltern der Studenten unterstützen. Gespräche, die Rosales in der Sache geführt hatte, wurden so öffentlich gemacht.

Unerträgliche Ungewissheit

Nach Bekanntwerden der Überwachung reichten betroffene NGOs im Jahr 2017 Strafanzeige bei der mexikanischen Bundesstaatsanwaltschaft ein, die allerdings nicht aktiv wurde. Ein Jahr später entschied ein Richter, dass der Verdacht der Spionage untersucht werden müsse, bislang ohne Folgen.

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