Verschärfte Bedingungen für die Zivilgesellschaft
Wer sich gegen soziale Ungerechtigkeit, Diskriminierung oder Umweltzerstörung engagiert, hat es in vielen Ländern der Welt immer schwerer. Regierungen drangsalieren Kritiker, beschneiden ihre Rechte oder verhaften sie. Im Jahr 2021 steigen 14 Länder ab und nur eines auf.
Nur elf Prozent sind frei
Weltweit können nur noch elf Prozent aller Menschen weitgehend ungehindert ihre Meinung sagen, sich versammeln und gegen Missstände kämpfen. Sie leben in offenen Gesellschaften (drei Prozent) oder beeinträchtigten (acht Prozent). Am anderen Ende der Skala leben mehr als zwei Drittel der Weltbevölkerung in unterdrückten (44 Prozent) und geschlossenen Gesellschaften (26 Prozent). Wer hier Kritik äußert oder sich für Menschenrechte einsetzt, muss damit rechnen, dass staatliche Behörden dagegen vorgehen: Sie lassen etwa auf Demonstrierende schießen, bedrohen unabhängige Stimmen, lassen Menschen inhaftieren, misshandeln oder gar töten.
Den Zustand der Zivilgesellschaft messen
Der Atlas der Zivilgesellschaft 2022 greift auf die Ergebnisse des CIVICUS-Monitors zurück, der weltweit umfassendsten Dokumentation zum Zustand der globalen Zivilgesellschaft. Die Nichtregierungsorganisation CIVICUS beobachtet dafür 194 Mitgliedstaaten der UN sowie Palästina und Taiwan (Province of China). Analystinnen und Analysten werten laufend Berichte von hunderten lokalen Nichtregierungsorganisationen und internationalen Partnerorganisationen aus sowie öffentliche Quellen. CIVICUS misst den Einschätzungen lokaler und regionaler Akteure dabei stärkere Bedeutung bei als jenen internationaler Experten. Daten staatlicher Stellen werden nicht berücksichtigt. Am Ende steht ein Index-Wert für jedes Land, der den Umfang der zivilgesellschaftlichen Handlungsmöglichkeiten beschreibt.
Beschränkungen in der EU
In der Europäischen Union kommt es ebenfalls zu Einschränkungen der Grundrechte. Zu den Absteigern des Jahres 2021 zählt unter anderem Belgien, wo Civicus den Handlungsspielraum der Zivilgesellschaft als „beschränkt“ einstuft. Verantwortlich dafür war die anhaltende Gewalt seitens der Sicherheitskräfte selbst bei friedlichen Versammlungen gegen Rassismus und soziale Ungleichheit im Winter 2020/21. Außerdem wurden in der EU Polen und die Tschechische Republik herabgestuft und in Europa Belarus. Dennoch zählt der europäische Kontinent immer noch die meisten Länder, die CIVICUS als „offen“ bewertet, darunter auch Deutschland.
Entwicklung in den Weltregionen
In den fünf Weltregionen lassen sich einige Gemeinsamkeiten feststellen, aber auch regionale Unterschiede. In Afrika beispielsweise ist die Inhaftierung von Journalistinnen die am häufigsten dokumentierte Verletzung der Grundrechte, in Nord-, Zentral- und Südamerika und in der Karibik sind es die Einschüchterung und Inhaftierung von Demonstranten. In Asien und dem Pazifikraum geschehen die meisten Eingriffe in die Freiheitsrechte der Zivilgesellschaft durch restriktive Gesetzgebung. In Europa und Zentralasien steht die Inhaftierung von Demonstrantinnen ganz oben auf der Liste, und im Nahen Osten und Nordafrika ist die Inhaftierung von Menschenrechtsverteidigern der am häufigsten gemeldete Verstoß.
Gegenüber 2020 hat sich der Handlungsspielraum der Zivilgesellschaft in Nord-, Mittel- und Südamerika kaum verändert. In keiner anderen Region werden mehr Journalistinnen und Menschenrechtsverteidiger ermordet. In der gesamten asiatisch-pazifischen Region hat CIVICUS im vergangenen Jahr viele Gesetze registriert, die die Meinungs- und Versammlungsfreiheit einschränken und zur Inhaftierung von Demonstrierenden führen. Nur Taiwan ‒ Province of China (offizielle UN-Bezeichnung) hat eine offene Zivilgesellschaft. Besser sieht es im pazifischen Raum aus: Sieben Länder sind als „offen“ eingestuft, vier als „beeinträchtigt“, darunter Australien. Im Nahen Osten und in Nordafrika sind nach wie vor einige der repressivsten Regime der Welt an der Macht. Kein einziges Land in der Region gilt als „offen“ oder „beeinträchtigt“. Auch in Afrika südlich der Sahara ist die Zahl der Staaten, in denen die bürgerlichen Grundfreiheiten massiv beschnitten werden, gegenüber dem Vorjahr noch einmal um zwei gestiegen. Nur in den beiden Inselstaaten Kap Verde und São Tomé und Príncipe ist die Zivilgesellschaft wie 2020 „offen“, in vier Ländern ist sie „beeinträchtigt“.
Schwerpunkt Digitalisierung
Vielfalt, keine Zensur und mehr Demokratie ‒ das erhofften sich viele Menschen lange vom Internet. Doch das passt aus heutiger Sicht nur teilweise. Denn die großen digitalen Plattformen und das World Wide Web sind beides: Medien der Freiheit und der Kontrolle. Einerseits nutzen zivilgesellschaftliche Organisationen, Aktivistinnen und Blogger digitale Tools zur Organisation ihrer Arbeit. Andererseits blockieren Regierungen weltweit den Zugang zu bestimmten Webseiten oder Plattformen oder sperren das Netz gleich ganz. Dazu überwachen sie Aktivistinnen und Journalisten gezielt mit digitalen Technologien, oft made in Europe. Die Herausforderungen an Politik, Plattformen und Zivilgesellschaft sind groß: Sie müssen aushandeln,
- was sie dem Hass im Netz entgegensetzen können, ohne die Meinungsfreiheit einzuschränken
- wie mehr Menschen gerade im globalen Süden einen besseren Zugang zum Internet bekommen
- wie sich die Datensammelwut der großen Tech-Konzerne und die damit einhergehende Gefahr für die Demokratie eindämmen lässt.
Hohe Zahl gemeldeter Fälle
Für seine Analysen greift CIVICUS auf detaillierte Beobachtungen aus der ganzen Welt zurück. Grundlage sind die Berichte hunderter lokaler Nichtregierungsorganisationen und mehr als 20 Partnerorganisationen sowie öffentliche Quellen. Die Analyse von CIVICUS zeigt, dass 2021 die Verhaftungen von Aktivisten und Journalistinnen zugenommen haben (von 405 auf 492) und die Angriffe auf Journalisten ebenso (von 143 auf 154). Bei diesen Werten handelt es sich nicht um die Anzahl der tatsächlichen Verstöße, sondern um die von Partnerorganisationen an CIVICUS berichteten Fälle. Sie zeigen exemplarisch, wie Grundfreiheiten auf der ganzen Welt weiter abnehmen.
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