Digitalisierung weltweit unterstützen und ausbauen
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Fernab der Öffentlichkeit verhandelt eine Gruppe von Staaten innerhalb der Welthandelsorganisation ein Abkommen zum digitalen Handel. Doch die Vertragsentwürfe begünstigen so einseitig die führenden Industrie-Nationen und ihre Tech-Giganten, dass sie die Gefahr eines neuen, diesmal digitalen Kolonialismus bergen.
IT-Konzerne und manche Institutionen der Entwicklungszusammenarbeit setzen große Hoffnungen auf den digitalen Wandel und die Potenziale der Digitalwirtschaft. Nach Einschätzungen der Weltbank und des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung könnten vor allem kleine und mittelständische Unternehmen sowie Start-ups im globalen Süden vom E-Commerce profitieren. Mit einem Gesamtwert von mehr als 26 Billionen US-Dollar machte der digitale Handel bereits vor der Covid-19-Pandemie mehr als ein Drittel der gesamten globalen Wirtschaftsleistung aus. Der mit der Corona-Krise einhergehende Digitalisierungsschub beschleunigte diese Entwicklung. Doch die Entwicklungsländer bekommen von dem neuen Kuchen bisher nur die Krümel ab, und das WTO-Abkommen soll dieses Missverhältnis zementieren.
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„Datenhoheit und digitale Souveränität sind grundlegend für Sicherheit und Wohlstand im 21. Jahrhundert.“
Sven Hilbig
Referent für Handelspolitik und Digitalisierung
Afrika und Lateinamerika machen laut Daten der UNO nur jeweils 1 Prozent der Umsätze im weltweiten E-Commerce, die restlichen 98 Prozent gehören:
Bei den Firmen, die damit Geld verdienen, sieht es ähnlich unausgewogen aus. Auf nur sieben Konzerne entfallen 70 Prozent Marktanteile der digitalen Plattform-Ökonomie: die Big 5 von der US-amerikanischen Westküste (Amazon, Apple, Facebook, Google und Microsoft) sowie Alibaba und Tencent aus China. Weitere 20 Prozent gehören mittelgroßen Plattformen, die ebenfalls in den USA oder China sitzen. Das heißt: Unternehmen aus zwei Ländern erwirtschaften 90 Prozent des globalen Umsatzes. Die der anderen knapp 200 Staaten müssen sich mit 10 Prozent zufriedengeben.
Die WTO-Verhandler überlegen aktuell, ob staatliche Stellen zukünftig noch Quellcodes ausländischer Unternehmen wie Huawei öffnen dürfen oder ob Regierungen noch befugt sein sollen, die Speicherung der Daten ihrer Bürgerinnen und Bürger auf heimischen Servern zu fordern, weil es sich um sensible Informationen wie persönliche Steuerdaten oder den Gesundheitszustand handelt.
Geht es nach dem Willen der großen Digitalkonzerne aus dem Silicon Valley, soll die WTO die staatliche Souveränität beschneiden. Das von führenden Industrie-Nationen und China seit 2019 hinter verschlossenen Türen verhandelte Abkommen soll vor allem dazu dienen, Tech-Konzernen den vermeintlich „freien“ Datenfluss zu sichern. Mit anderen Worten: Der Wild-West-Zustand der Plattform-Ökonomie soll völkerrechtlich zementiert werden, damit die Daten bis in alle Ewigkeit ausschließlich auf den Servern von Mark Zuckerberg und Co. zur Verfügung stehen.
Sollte dieses Abkommen zustande kommen, würden Entwicklungs- und Schwellenländer endgültig auf die Verliererseite geschickt. In der 500-jährigen Geschichte von Abhängigkeit und Ausbeutung würde ein neues Kapitel aufgeschlagen werden: das Kapitel des digitalen Kolonialismus. Doch der globale Süden kämpft für seine digitale Souveränität.
Nigeria zum Beispiel fördert die eigene Digitalwirtschaft seit einigen Jahren durch eine Digitalpolitik, die sowohl der IT-Industrie als auch dem digitalen Dienstleistungssektor dienen soll. So schreibt die nigerianische Regierung ausländischen Dienstleistern für Informations- und Kommunikations-Technologie (IKT) etwa vor, im Land auch vor Ort hergestellte Produkte wie PCs zu verwenden. Außerdem müssen IKT-Unternehmen aus den USA oder China sich damit einverstanden erklären, dass die Daten ihrer Kundschaft auch innerhalb Nigerias gespeichert werden.
Südafrika hat im April 2021 seinen Entwurf für eine neue Daten- und Cloud-Politik vorgelegt. Die dort vorgestellten Ideen decken sich in vielerlei Hinsicht mit dem, was die EU in jüngster Zeit an Initiativen gestartet hat. Südafrikas Ziel ist es, seine Wirtschaft in eine datengesteuerte, digitale Wirtschaft zu transformieren. Die dafür vorgesehenen infrastrukturellen und regulatorischen Rahmenbedingungen beinhalten auch Lokalisierungsauflagen. Zugleich soll der Datenschutz gestärkt werden, nach dem Vorbild der europäischen Datenschutzgrundverordnung.
Indien betrachtet die Daten seiner Bürgerinnen und Bürger als Gemeinschaftsgut des indischen Volkes. Das neue Datenschutzgesetz sieht vor, dass von personenbezogenen Daten wenigstens eine Kopie auf indischen Servern oder Datenzentren vorhanden ist. Und kritische personenbezogene Daten sollen ausschließlich in Indien verarbeitet werden. Ähnlich wie in Nigeria und Südafrika sollen Lokalisierungsauflagen dazu dienen, die heimische Digitalwirtschaft weiter aus- und aufzubauen.
Wir engagieren uns in nationalen und internationalen Bündnissen für das Ende der WTO-Verhandlungen über das Abkommen zum digitalen Handel. Gemeinsam mit unseren Partnerorganisationen wie IT for Change aus Indien und SEATINI aus Uganda setzen wir uns bei EU, UNCTAD, WTO und anderen multilateralen Institutionen für die Interessen der Menschen im globalen Süden ein, indem wir auf die Gefahren einer weiteren Deregulierung der Digitalwirtschaft aufmerksam machen.
Zusammen mit Gewerkschaften und weiteren Verbündeten in Deutschland machen wir Öffentlichkeitsarbeit und führen Gespräche mit Politik und Gesellschaft, damit die neue Bundesregierung auf die digitale Souveränität achtet.
Schreiben Sie den Abgeordneten Ihres Wahlkreises und fordern Sie sie auf, sich gegen das geplante WTO-Abkommen zum digitalen Handel einzusetzen. Stattdessen sollen Ihre Volksvertreterinnen in Bundestag und EU-Parlament für eine gerechte Handelspolitik eintreten. Gehen Sie auf die Straße und beteiligen Sie sich an Demonstrationen, die sich für einen gerechten Welthandel einsetzen. Und ganz wichtig: Informieren Sie sich und andere. Denn je mehr Menschen wissen, dass hinter verschlossenen Türen ein Vertrag verhandelt wird, der unsere digitale Welt zum Nachteil fast aller Menschen verändert, desto mehr Leute werden sich für einen gerechten Welthandel und für digitale Souveränität einsetzen.
Hinweis: Die Spendenbeispiele sind symbolisch. Durch Ihre zweckungebundene Spende ermöglichen Sie uns dort zu helfen, wo es am dringendsten ist.
56 € (Spendenbeispiel) Mit 56 € kann zum Beispiel ein Hygiene-Paket für eine geflüchtete Familie finanziert werden.
100 € (Spendenbeispiel) Mit 100 € kann zum Beispiel Gemüse-Saatgut für die Bewirtschaftung von ca. 10 Feldern bereitgestellt werden.
148 € (Spendenbeispiel) Mit 148 € kann zum Beispiel ein Regenwassertank mit 2.000 Liter Fassungsvermögen gekauft werden.
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