leere Verpackungen und Kanister vor einem grünen Feld.
Sojaanbau in Lateinamerika

Tierfutter statt Nahrungsmittel

In deutschen Megamastställen stehen pro Betrieb 100.000 bis 200.000 Hähnchen. Sie alle müssen fressen. Um ein Kilo Hühnerfleisch zu erhalten, sind je nach Haltungsart und Dauer ungefähr zwei Kilogramm Futter nötig. In der industrialisierten Mast wird proteinreiches Kraftfutter eingesetzt, das dafür gezüchtete Tiere schneller wachsen lässt. Sein zentraler Bestandteil ist Soja, das als Monokultur auf riesigen Flächen in Lateinamerika angebaut wird – ein Desaster für die Bevölkerung und Biodiversität.

Bis in die 1950er Jahre fanden freilaufende Hühner ihr Futter auf dem Hof oder sie bekamen Getreidereste. Getreide wie Weizen und Gerste aus einheimischer Produktion machen heute noch etwa die Hälfte des Hühnerfutters in deutschen Mastställen aus, weitere 20 Prozent bestehen aus Mais, Erbsen, Pflanzenöl und Mineralstoffen. Knapp ein Drittel der Futtermittel basiert auf Soja. Es ist die spezielle Proteinzusammensetzung des Sojas, die die Hühner für ihr schnelles Wachstum brauchen. Daher ist Soja in der industriellen Tierhaltung nur schwer zu ersetzen. Mit der globalen Ausweitung der industriellen Tierhaltung hat sich weltweit die Fläche, die für den Sojaanbau genutzt wird, drastisch vergrößert. Sie ist heute fünfmal so groß wie Ende der 80er Jahre. Das gleiche gilt für die Produktionsmenge.

Importierter Sojaschrot für deutsche Mastställe

In Deutschland wurde der Sojaanbau – wie der Anbau von Eiweißfuttermitteln in ganz Europa – jahrzehntelang vernachlässigt. Erst in den letzten Jahren starteten wieder zaghaft Programme zur Förderung des Eiweißfuttermittelanbaus. Erste Erfolge erzielte der Sojaanbau in Europa im Donaugebiet. Gleichzeitig wird über eine veränderte Zusammensetzung des Hühnerfutters versucht, den Anteil von Soja zu reduzieren. Doch das reicht nicht. Die in Deutschland verfütterten Sojabohnen und das verfütterte Sojaschrot werden darum im- portiert – vor allem aus Brasilien, Argentinien und Paraguay.

Hunger nach Land

Um das für Deutschland benötigte Soja anzubauen, ist allein in Lateinamerika eine Fläche von etwa zwei Millionen Hektar nötig. Das entspricht etwa der Größe Mecklenburg-Vorpommerns. Es sind nicht nur große Agrarunternehmen, die den Anbau von Soja in Südamerika vorantreiben. In Brasilien nehmen auch mittlere Agrarbetriebe und eher kleinbäuerliche Familienbetriebe am Sojageschäft teil.

Oft wurde und wird der Sojaanbau mit illegalen Methoden vorangetrieben. Einheimische Kleinbauernfamilien und Indigene, die das Land traditionell bewirtschaften, werden vertrieben. Dabei sind nicht selten die Polizei und private Sicherheitsfirmen involviert.

Landräuber fälschen auch Besitztitel für Land, bestechen die örtliche Verwaltung und bringen einheimische Bauern so um ihre Rechte. Denn gerade Angehörige der indigenen Völker nutzen oft Land, das seit langer Zeit im Gemeinbesitz und verwaltungstechnisch nicht erfasst ist. Dadurch verlieren die Menschen Land, das sie braucht, um Lebensmittel für sich und den Verkauf anzubauen. Der armen Bevölkerung bleibt oft nichts anderes übrig, als in provisorische Barackensiedlungen am Rande der Sojagebiete oder in die Elendsviertel der Städte zu ziehen.

Saatgut häufig gentechnisch verändert

Zusätzlich ist ein großer Teil des in Lateinamerika verwendeten Soja-Saatguts gentechnisch verändert – in Argentinien und Paraguay an die 100 Prozent. Brasilien baut zu etwa 80 Prozent gentechnisch verändertes, und zu 20 Prozent nicht genmanipuliertes Soja an. Letzteres hängt vor allem mit der Nachfrage in Europa zusammen. Dort haben beispielsweise die deutschen Eierproduzenten den Verbrauchern versprochen, auf Gensoja bei der Fütterung der Legehennen zu verzichten. Auch im Bereich der Fleischerzeugung sowie der Milcherzeugung wird der Ruf der Verbraucher nach Lebensmitteln ohne gentechnisch verändertes Soja lauter. Insbesondere der Verband „Lebensmittel ohne Gentechnik“ bringt die Kennzeichnung von Lebensmitteln, die ohne den Einsatz von Gentechnik produziert wurden, immer weiter voran. Das Bundeslandwirtschaftsministerium hat sich in seinem 2017 erschienenen Grünbuch ebenfalls für die weltweite Förderung der Produktion von gentechnikfreien Pflanzen stark gemacht.

Krankheiten durch Totalherbizid

Solche Initiativen sind dringend notwendig, denn die Genveränderung macht Sojapflanzen resistent gegen viele Pflanzengifte. Zunächst waren sie resistent gegen das Totalherbizid „Roundup“. Dieses liefert der Marktführer Monsanto gleich zusammen mit dem Saatgut. Allerdings haben Unkräuter inzwischen Resistenzen aufgebaut, sodass die Sojaproduzenten heute doppelt bis dreifach soviel Roundup versprühen müssen wie in den ersten Jahren.

Aber auch das reicht nicht mehr: Heute werden gentechnisch veränderte Sojapflanzen angebaut, die gegen mindestens ein weiteres Herbizid resistent sind. So wird verstärkt das Herbizid 2,4-D eingesetzt, das unter anderem toxisch für das Nervensystem ist, sowie Dicamba. Bauernfamilien und Mediziner machen den massiven und zunehmenden Einsatz von Roundup und anderen Pestiziden für Vergiftungen, Krankheiten und Missbildungen verantwortlich.

Studien zur Gefährlichkeit von Glyphosat

Ein Bestandteil von Roundup ist Glyphosat, der weltweit am meisten genutzte Wirkstoff zur Unkrautvernichtung. Das „Pestizid Aktions Netzwerk (PAN)“ und andere halten ihn schon länger für potenziell gefährlich, doch die Industrie wiegelte ab.

Auch in Deutschland enthalten viele zugelassene Pestizide Glyphosat. Im März 2015 stufte die International Agency for Research on Cancer (IARC) der Weltgesundheitsorganisation WHO den Stoff als „wahrscheinlich krebserzeugend bei Menschen“ ein. Auch auf Grundlage dieser neuen Bewertung der WHO befand sich die Neuzulassung von Glyphosat als Wirkstoff im Pflanzenschutz in der EU lange in der Schwebe und ist noch immer nicht endgültig entschieden. In der Folge sind verschiedene neue Studien und Bewertungen zur Gefährlichkeit von Glyphosat erschienen, die zu widersprüchlichen Ergebnissen kommen – auch von anderen Gremien der WHO. Zu mehr als einer Zulassungsverlängerung für 18 Monate konnte sich die EU-Kommission im Sommer 2016 nicht entschließen.

Der Druck seitens der Zivilgesellschaft und verschiedener Mitgliedsstaaten ist so stark, dass eine starke Einschränkung der Zulassung oder sogar ein Verbot von Glyphosat in der EU weiter nicht auszuschließen ist – ein Hoffnungsschimmer für die unter Roundup leidende ländliche Bevölkerung in Südamerika. Denn die Soja-Monokulturen und falschen Versprechungen der Grünen Gentechnik haben einen Teufelskreis aus immer neuen Pestiziden und immer neuen resistenten Unkräutern in Gang gesetzt. Ohne radikale Veränderungen, auch beim Konsum und der Tierproduktion in Europa, wird der Teufelskreis nicht enden.

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Kleinbäuerin Claudine Hashazinyange mit Avocados vom Baum ihres Schwiegervaters.

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