Gruppenraum mit Kindern im evangelischen Kindergarten Temple in Kpalimé
#BTW17: Ihre Wahl wirkt weltweit

Frieden ist mehr als Sicherheit

Während der 1990er Jahre war die Anzahl der Gewaltkonflikte weltweit rückläufig. Es zeigte sich, dass Kriege und Bürgerkriege keine Naturkatastrophen, sondern menschengemacht sind, und dass friedenspolitische Anstrengungen und humanitäre Maßnahmen dazu beitragen können, solche Entwicklungen einzudämmen. Leider bewegt sich der Trend seither wieder in eine andere Richtung: Die Anzahl der Gewaltkonflikte - vor allem der innerstaatlichen Auseinandersetzungen - ist wieder gestiegen. Sie tragen maßgeblich dazu bei, dass sich mehr als 65 Millionen Menschen auf der Flucht befinden.

Umso wichtiger ist es, dass Deutschland dem Trend der Militarisierung entgegenwirkt und seine Politik in den Dienst des Friedens stellt, wie es das deutsche Grundgesetz verlangt. Mit dem Titel der neuen Leitlinien „Krisen verhindern, Konflikte bewältigen und Frieden fördern“ hat das Bundeskabinett im Juli 2017 eigentlich ein überzeugendes Motto für das globale Engagement Deutschlands vorgegeben. Die Herausforderung besteht jedoch darin, anzuerkennen, dass Friedenspolitik mehr umfasst als ein punktuelles sicherheitspolitisches Engagement mit dem Ziel der kurzfristigen „Stabilisierung“ ausgewählter Krisenregionen. Stattdessen wird langfristiges Engagement benötigt, eine Kohärenz der unterschiedlichen Politikfelder in der Beseitigung der Ursachen von Gewalt, und ein Verständnis von Sicherheit, das die Bedürfnisse von Menschen im globalen Süden einbezieht.

Zivile, diplomatische, entwicklungs- und kulturpolitische Ansätze sind unerlässlich und müssen massiv ausgebaut werden, wenn die Ursachen von Gewaltkonflikten überwunden werden sollen. Zwar besteht über die Frage, welche Rolle militärische Instrumente bei der Friedenssicherung spielen können, unter diversen Thinktanks und unter den im Parlament vertretenen Parteien keine Einigkeit. Weitgehend unstrittig sind die Beiträge, die Soldatinnen und Soldaten in der Unterstützung des Peacekeeping im Rahmen der Vereinten Nationen leisten. Über die Wirkung militärischer Einsätze, die das Ziel hatten, Regime abzusetzen oder sich auf „Nationbuilding“ richteten, wird jedoch weiterhin kontrovers diskutiert. Unterschiedliche Einschätzungen gibt es auch in der Frage, welche Rolle und Bedeutung der Bundeswehr in der Verteidigungspolitik zukommt und wie sie auszurüsten ist. Strittig ist zudem die Frage, wieviel das kosten darf.

Was die Parteien dazu sagen

Die drängende Frage, wie außen-, entwicklungs- und sicherheitspolitische Instrumente sinnvoll miteinander kombiniert und für die Bewältigung von Kriegsursachen eingesetzt werden können, spielte im Wahlkampf keine zentrale Rolle. Dort ging es eher um die Frage, wie Zuwanderung begrenzt und wie terroristischen Bedrohungen für die Bevölkerung hierzulande begegnet werden soll. Dass Sicherheit, Frieden und Wohlstand hierzulande langfristig nur gesichert werden können, wenn Menschen im globalen Süden ebenfalls ein Leben in Würde und mit Entwicklungsperspektiven ermöglicht wird, traut sich kaum ein Politiker oder eine Politikerin der Wählerschaft zu sagen. Bislang nimmt das Wort „Sicherheit“ sehr viel mehr Raum ein, als der Begriff „Frieden“, der von den Wenigsten überzeugend mit Inhalt gefüllt wird.

Erfreulicherweise wird zumindest das Thema „Rüstungsexporte“ inzwischen kritischer als bisher reflektiert. Innerhalb der Regierungskoalition schieden sich die Geister entlang der Frage, ob die im Kontext der NATO erhobene Verpflichtung, die Militärausgaben auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts bis 2024 zu steigern, eingelöst werden kann und soll. Während die Kanzlerin dieser Forderung nachkommen will, verweigerte die SPD in dieser Frage die Gefolgschaft.

Was Brot für die Welt von der neuen Bundesregierung erwartet

Wir erwarten von einer zukünftigen Bundesregierung, dass sie

  • dem Ausbau der Ansätze ziviler Krisenprävention und Friedensförderung Priorität vor dem Aufbau militärischer Kapazitäten einräumt,
  • verstärkt in langfristige entwicklungspolitische Kernaufgaben (Armutsbekämpfung, Ernährungssicherheit, Gesundheit und Bildung) investiert, die dafür benötigt werden, die Ursachen von Konflikten anzugehen und gleichzeitig verhindert, dass Mittel aus diesen Bereichen für sicherheitspolitische Ziele umgewidmet werden,
  • den zivilen Ansätzen zu größerer Sichtbarkeit verhilft,
  • die Politik aller Ressorts daraufhin ausrichtet, dass sie zur Vorbeugung, Eindämmung und Überwindung von Gewaltkonflikten beiträgt, um zu verhindern, dass Initiativen die zum Beispiel in der Entwicklungszusammenarbeit, Diplomatie oder auswärtigen Kulturpolitik auf den Weg gebracht werden, durch Versäumnisse in der Außenwirtschafts-, Handels- und Finanzpolitik (zum Beispiel durch Unterstützung von Rüstungsexporten, oder von rücksichtslosen Investitionen), sowie der Agrar-, Umwelt- und Klimapolitik unterlaufen oder konterkariert werden,
  • sich für die Stärkung der Instrumente für Vorbeugung, Krisenbewältigung und humanitäre Versorgung einsetzt, die von den Vereinten Nationen (UN) und ihren Regionalorganisationen (zum Beispiel der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, OSZE) vorgehalten werden,
  • das diplomatische Engagement im Rahmen der OSZE, das mit Blick auf Osteuropa auf den Weg gebracht wurde, fortsetzt und intensiviert,
  • sich dafür einsetzt, die Möglichkeiten der Europäischen Union (EU) für Prävention, für Kriegsursachenbewältigung und zur Unterstützung der Aussöhnung von Nachkriegsgesellschaften systematisch zu erweitern. Dabei sollte es darum gehen, die Kapazitäten der EU in den Dienst der UN zu stellen und deren Mandat für internationale Friedenssicherung zu stärken und nicht darum, die EU zu einer Militärmacht aufzurüsten,
  • die Verantwortung deutscher Politik für globale Friedenssicherung, Abrüstung und Rüstungskontrolle nicht nur behauptet, sondern auch durch praktische Schritte verdeutlicht. Dies könnte sie unter anderem dadurch unter Beweis stellen, dass sie den Vertrag für ein internationales Atomwaffenverbot mit unterzeichnet, der von der Mehrheit der UN-Mitgliedstaaten im Juli 2017 verabschiedet wurde.

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