Die Grenzen des Wachstums sind erreicht
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Kirchliche Kitas und Krankenhäuser, Gemeinden und Altenheime geben jedes Jahr rund 60 Milliarden Euro für Produkte aus. Das macht sie zu mächtigen Verbrauchern, doch sie kaufen noch nicht durchweg fair und ökologisch ein.
Die Gärtner und Köchinnen tragen Jacken und Hosen von Firmen, die zur Fair-Wear-Foundation gehören, im Bildungszentrum wird bio-fairer Kaffee ausgeschenkt und in den Büros liegen Stifte aus recyceltem Plastik – das Diakonische Werk im Kirchenkreis Recklinghausen setzt bei seinen Einrichtungen seit 2013 konsequent auf ökologisch und fair. „Fair zu arbeiten entspricht unserem christlichen Leitbild “, sagt Prokurist Gerhard Bröker. „Als Kirche wollen wir die Schöpfung bewahren, daher ist es unsere Pflicht, alles dafür zu tun, dass wir diese Schöpfung nicht an die Wand fahren.“
Die Schöpfung bewahren – dazu zählt für Bröker auch, Menschen vor Ausbeutung zu schützen. Doch damit tun sich Kirchen und Gemeinden jenseits des Recklingshausener Werks schwer. Ob Arbeitskleidung, Blumen, Computer, Talare, Kaffee, Bananen, Kekse oder Bettwäsche: Einrichtungen von Kirche und Diakonie kaufen noch immer viele Produkte ein, bei deren Herstellung Arbeits- und Menschenrechte verletzt werden. Vielen Einkäuferinnen und Einkäufer ist das inzwischen bewusst, dennoch setzen die christlichen Kirchen die beiden wichtigen Leitbilder des christlichen Glaubens – die Bewahrung der Schöpfung und soziale Gerechtigkeit – zumindest im Einkaufs- und Vergabewesen nicht konsequent um.
Dabei können sie als Großverbraucher viel Gutes bewirken – und tun dies vielerorts bereits. In Deutschland geben sie nach der öffentlichen Hand das meiste Geld für Güter und Dienstleistungen aus. Ihre Kaufkraft liegt bei jährlich rund 60 Milliarden Euro, schätzt die Arbeitsgemeinschaft der Eine-Welt-Landesnetzwerke. Manche gehen sogar von bis zu 90 Milliarden Euro aus. Doch nur ein Bruchteil davon – konkrete Zahlen gibt es nicht – wird für öko-faire Produkte ausgegeben, allen guten Absichten, Beschlüssen von Synoden und Appellen von Bischöfen zum Trotz. „Es kommt zwar Bewegung in das kirchliche Beschaffungswesen, aber von einer öko-fairen Trendwende kann man noch nicht sprechen“, so Sabine Ferenschild vom Bonner Südwind-Institut für Ökonomie und Ökumene.
Die Gründe sind vielfältig: Viele zweifeln an der Qualität öko-fairer Produkte. „Kirche ist ein Spiegelbild der Gesellschaft, und das alte Vorurteil, dass fairer Kaffee bitterer schmeckt, hält sich leider auch im kirchlichen Bereich hartnäckig“, sagt Pfarrer Dietrich Weinbrenner. Er ist bundesweit der erste kirchliche Beauftragte für nachhaltige Textilien in der Evangelischen Kirche von Westfalen. Hinzu kommt, dass in Kirchengemeinden die Beschaffung meist dezentral geregelt ist, sprich: Sie liegt in den Händen verschiedener Leute. In vielen Fällen seien es engagierte Einzelpersonen, die sich um den Einkauf kümmerten, „aber richtig systematisch gehen die wenigsten Gemeinden vor“, so Martina Faseler von „Zukunft einkaufen“. Auch herrsche vielerorts Unkenntnis, was es überhaupt an fairen Produkten gibt. Nicht jeder arbeite sich intensiv in das Thema fairer Einkauf ein oder sei bereit, verschiedene Produkte und Preise zu vergleichen.
Das wichtigste Kriterium bei der Beschaffung von Bettwäsche, Arbeitskleidung oder Lebensmittel ist für viele kirchliche und diakonische Einrichtungen noch immer der Preis. „Wenn in Pflegeheimen nur 4,85 Euro pro Tag und Person für Lebensmittel zur Verfügung stehen, dann gibt es keine allzu großen Spielräume“, sagt Marianne Dehne, Referentin für Transparenz und Nachhaltigkeit bei der Diakonie Deutschland.
Dass viele Kirchengemeinden und Einrichtungen es bei Handlungsempfehlungen zu Ökologie und nachhaltiger Entwicklung belassen, gefährde die eigene Glaubwürdigkeit, kritisiert Dietrich Weinbrenner. „Dabei könnte die Diakonie als Großverbraucher von Textilien in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen Vorreiter sein.“
An guten Beispielen mangelt es nicht: Rund 2,5 Millionen Euro haben evangelische und katholische Kirchengemeinden 2018 bei der Organisation für fairen Handel GEPA ausgegeben, für Kaffee, Schokolade und Tee. Die Diakonie Ruhr will die Berufsbekleidung in ihren Häusern ganz auf fair umstellen. Die Gäste der Tagungsstätte Haus am Schüberg schlafen in öko-fairer Bettwäsche. Viele der mehr als 300 Himmlischen Herbergen in Trägerschaft der Evangelischen Kirche bieten ihren jährlich zwei Millionen Gästen entsprechend einem Beschluss der Vollversammlung öko-faire Kost und Produkte an. Die Nordkirche hat ein Klimaschutzgesetz verabschiedet und gilt als Vorreiter einer klimafreundlichen Beschaffung. Und als deutschlandweit erstes Bistum strebt die Erzdiözese Freiburg an, bis 2030 fair und klimaneutral zu werden.
Den oft steinigen Weg hin zu einer öko-fairen Beschaffung ebnet auch die Plattform „Zukunft einkaufen“. Diese ökumenische Initiative ist beim Institut für Kirche und Gesellschaft der Evangelischen Kirche von Westfalen angegliedert und wird von Brot für die Welt gefördert. Sie wurde 2008 gegründet, um Gemeinden beim öko-fairen Einkauf zu unterstützen und zu beraten
Die häufig genannte Sorge vor überbordenden Kosten durch einen nachhaltigen Einkauf sei unbegründet, sagt Weinbrenner. Eine öko-faire Beschaffung könne ohne enorme Mehrkosten gelingen. Das bestätigt auch Gerhard Bröker vom Kirchenkreis Recklinghausen: „Der Kauf fairer Textilien ist drei bis fünf Prozent teurer – bei Büromaterial ist der Mehrpreis sogar nur marginal.“ Dennoch seien auch konfessionelle Kunden von Mietwäschereien oft nicht bereit, einen höheren Preis für nachhaltige Textilien zu zahlen, sagt Michaela Gnass von Dibella, einem Produzenten öko-fairer Bettwäsche und Handtücher: „Es muss den Einrichtungen bewusst werden, dass nachhaltige Textilien einen ethischen, sozialen und ökologischen Mehrwert haben.“
Den Kirchen täte ein solcher Bewusstseinswandel offenbar gut. So schrieb die Sachverständigengruppe „Weltwirtschaft und Sozialethik “, eine Expertenkommission der Konferenz Weltkirche, bereits 2018: „Glaubwürdig ist das Eintreten der Kirchen und Religionsgemeinschaften für einen ökologisch-sozialen Wandel nur dann, wenn sie im eigenen Verantwortungsbereich auf möglichst allen Ebenen mit gutem Beispiel vorangehen.“
Hinweis: Die Spendenbeispiele sind symbolisch. Durch Ihre zweckungebundene Spende ermöglichen Sie uns dort zu helfen, wo es am dringendsten ist.
56 € (Spendenbeispiel) Mit 56 € kann zum Beispiel ein Hygiene-Paket für eine geflüchtete Familie finanziert werden.
100 € (Spendenbeispiel) Mit 100 € kann zum Beispiel Gemüse-Saatgut für die Bewirtschaftung von ca. 10 Feldern bereitgestellt werden.
148 € (Spendenbeispiel) Mit 148 € kann zum Beispiel ein Regenwassertank mit 2.000 Liter Fassungsvermögen gekauft werden.
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