Lieferkettenquiz

Im Juni 2021 verabschiedete der deutsche Bundestag ein Lieferkettengesetz für deutsche Unternehmen. Doch die Wirtschaftslobby hat es in wichtigen Punkten abgeschwächt. Umso wichtiger ist es jetzt, dass es ein starkes Lieferkettengesetz auf EU-Ebene gibt. Warum ist ein solcher gesetzlicher Rahmen überhaupt notwendig? Testen Sie hier Ihr Wissen zum Lieferkettengesetz.

Die Auswirkungen von unfairen Lieferketten begegnen uns im Alltag immer wieder. Drei Beispiel aus der Bekleidungs- und der Automobilindustrie:

Beispiel Textilindustrie

Vor allem Katastrophen wie der Brand der Textilfabrik Ali Enterprises im pakistanischen Karatschi oder der Einsturz des Fabrikgebäudes Rana Plaza in Bangladesch bringen die miserablen Arbeits- und Produktionsbedingungen in der Textilindustrie gelegentlich an die Öffentlichkeit. Doch menschenrechtlich fragwürdige Geschäftspraktiken zeigen sich auch im Alltag von Näherinnen und Nähern weltweit ‒ sogar in Europa. So müssen beispielsweise Arbeiterinnen und Arbeiter in Serbien lange für existenzsichernde Löhne kämpfen und sind zu Überstunden gezwungen, um ihren Lebensunterhalt finanzieren zu können. Unternehmen, die in Deutschland Textilien zu niedrigen Preisen verkaufen, tragen für diese Löhne eine Mitverantwortung: Nur weniger als ein Prozent des Verkaufspreises, den ein T-Shirt in Deutschland erzielt, kommt den Näherinnen und Nähern in den Produktionsländern zugute.

Beispiel Kleiderkonsum

Kleidung Kleidung

Wir alle konsumieren permanent: Fast unbemerkt kommt im Laufe eines Lebens ein riesiger Berg an Gütern zusammen: 660 kg Kleidung hat jede und jeder durchschnittliche Deutsche im Alter von 55 Jahren bereits konsumiert, 6,7 Autos gekauft und über 600 Hühner gegessen. Nahezu alle diese Produkte durchlaufen eine Lieferkette, die die ganze Welt umspannt. Diese globale Produktion ist keineswegs nur schlecht: Auslandsinvestitionen und die Auslagerung von Produktionsstätten in den globalen Süden können durchaus Arbeitsplätze schaffen. Insbesondere in Konfliktgebieten, autoritären oder schwachen Staaten steigt jedoch das Risiko, dass beim Rohstoffabbau und der Fertigung von Zwischenprodukten die Umwelt zerstört sowie Arbeits- und Menschenrechte verletzt werden.

 

Beispiel Elektromobilität

Die Förderung von Lithium, dem Hauptbestandteil von Batterien für Elektroautos, benötigt enorm viel Wasser. Sie setzt umweltschädigende Chemikalien frei, die Verdunstungsbecken und die Verarbeitungsanlagen verbrauchen Flächen und die Chemieabfälle werden nicht umweltschonend entsorgt. Die entstehenden Umweltschäden sind extrem: 64 Prozent der weltweiten Lithiumvorkommen lagern im Dreiländereck zwischen Argentinien, Bolivien und Chile ‒ einer der trockensten Regionen der Welt. Der Eingriff in den Wasserhaushalt hat zur Folge, dass der Grundwasserspiegel weiter absinkt und die Menge des verfügbaren Süßwassers zurückgeht. Angrenzende Lagunen und Flussebenen trocknen aus ‒ sie sind das Wassereinzugsgebiet für die in der Region lebenden Menschen, Tiere und Pflanzen.

Eine gesetzliche Regelung ist nicht umzusetzen und schadet der Wirtschaft - das sind die häufigsten Argumente gegen ein Lieferkettengesetz. Halten sie der Realität stand?


Die Situation in anderen Staaten

Die Idee für ein Lieferkettengesetz ist nicht neu – ungewöhnlich ist eher, wie spät Deutschland im Vergleich zu anderen Industriestaaten ein entsprechendes Gesetz beschlossen hat: Frankreich hat im Februar 2017 ein Gesetz zu Sorgfaltspflichten verabschiedet, welches ermöglicht, die Unternehmen bei Unterlassen entsprechender Maßnahmen zivilrechtlich zu verfolgen. In Großbritannien verpflichtet ein Gesetz gegen Moderne Sklaverei zur Berichterstattung und Maßnahmen gegen Zwangsarbeit. Die Niederlande haben im Mai 2019 ein Gesetz gegen Kinderarbeit verabschiedet, das Standards setzt und Beschwerdemöglichkeiten und Sanktionen vorsieht. Jetzt ist dringend die EU gefragt, ein wirksames Lieferkettengesetz zu verabschieden.

Unterstützung aus der Wirtschaft

Nicht nur NGOs und Betroffene fordern ein Lieferkettengesetz. Auch immer mehr europäische Unternehmen stehen hinter der Idee. Die Unterstützung der Unternehmen zeigt: das Argument, dass eine gesetzliche Regelung der Wirtschaft schaden würde, ist falsch.

Ein Lieferkettengesetz soll verhindern, dass Verbraucherinnen und Verbraucher entscheiden müssen, welche Menschrechtsverletzungen und Umweltzerstörungen für ihren Konsum akzeptabel sind. Aber würde es nicht auch zu steigenden Preisen führen?


Teure faire Schokolade?

Vom durchschnittlichen Preis einer Tafel Schokolade (0,89 Euro) gehen derzeit zwischen vier und fünf Cent als Lohn an die Kakaobauern. Würde der Lohn auf ein existenzsicherndes Niveau angehoben, wäre eine Vollmilchschokolade für Konsumentinnen in Deutschland etwa fünf Cent teurer.

Warum ist Fair Trade Schokolade dann häufig deutlich teurer als herkömmliche? Weil Hersteller, die fair produzieren, heute oft einen Wettbewerbsnachteil haben und deshalb höhere Preise verlangen müssen. Ein Lieferkettengesetz könnte hier Abhilfe schaffen! Mit einem gesetzlichen Rahmen, der für die gesamte Branche gilt, ist es für Unternehmen wesentlich einfacher, ihre Lieferkette fair zu gestalten. Nicht umsonst fordern seit April 2019 große Schokoladenhersteller auf europäischer Ebene eine verbindliche Regulierung der Lieferketten.

Wie teuer wäre ein faires Auto?

Die Zeitschrift WirtschaftsWoche hat 2017 geschätzt, dass Verbraucher im Schnitt nur 200 Euro mehr für einen Mittelklassewagen im Wert von 25.000 Euro zahlen müssten, wenn darin fair produzierte Rohstoffe verbaut würden. Das betrifft beispielsweise das Platin, das BASF bis heute aus der Marikana-Mine in Südafrika bezieht und über Katalysatorenhersteller an deutsche Autokonzerne weiterverkauft – obwohl in der Mine 2012 34 Arbeiter erschossen wurden, die für bessere Arbeits- und Lebensbedingungen gestreikt hatten.

Warum gibt es noch kein EU-Lieferkettengesetz?

Seit Juni 2021 gibt es ein deutsches Lieferkettengesetz. Es gilt unmittelbar für Unternehmen, die in Deutschland ihren Sitz, ihre Hauptverwaltung, ihre Hauptniederlassung oder zumindest eine Zweigniederlassung haben. Ein EU-Lieferkettengesetz würde hingegen für den gesamten EU-Binnenmarkt gelten. Warum es auf EU-Ebene bisher noch kein entsprechendes Gesetz gibt? Dafür haben wir leider auch keine Erklärung. Fordern Sie die EU auf, endlich ein Gesetz zu verabschieden!

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Kleinbäuerin Claudine Hashazinyange mit Avocados vom Baum ihres Schwiegervaters.

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