Frau und Mann auf einem Roller
Junkfood für alle

Fertignahrung auf dem Vormarsch

Wer in der Stadt lebt und arm ist, schafft es kaum sich gesund zu ernähren. Internationale Nahrungsmittelkonzerne bewerben aggressiv billige, ungesunde Produkte mit einem hohen Anteil Fett und Zucker. Das führt zu einem Ernährungswandel, der weltweit das Problem der Mangelernährung verschärft.

Essen, was ungesund ist?

Der Anteil verarbeiteter Nahrung mit hohen Zucker-, Fett- und Fleischanteilen steigt stark weltweit an. Immer mehr Menschen greifen auf Fertignahrung zurück, die mit wenigen Handgriffen zubereitet werden kann.  Zum einen gilt es als schick, modern und privilegiert, Fertigprodukte zu konsumieren. Zum anderen verwenden immer mehr Menschen immer weniger Zeit darauf, einzukaufen und aufwändig zu kochen. Das liegt auch an langen Arbeitstagen und weiten Wegstrecken zum Arbeitsplatz. Auf dem Speiseplan stehen dann Instant-Nudelgerichte, zuckerhaltige Milchspeisen oder Joghurts, Frühstückscerealien und Kekse bis hin zu Burger-Gerichten und Softdrinks.

Vielen dieser Lebensmittel werden Mikronährstoffe wie Vitamine oder Spurenelementekünstlich hinzugefügt, so dass sie vermeintlich nahrhaft sind. Wechselwirkungender verschiedenen Inhaltsstoffe und deren Verträglichkeit werden dabei jedoch außer Acht gelassen.

„Wir wollen kontrollieren, was in unserem Essen drin ist und wie es zubereitet ist. Wir wollen natürlichen Geschmack und Geruch spüren; wir wollen – eingebettet in unsere Familie, Gemeinschaft und Kultur – essen.“

Biraj Patnaik

Right to Food-Campaign

Krankmacher als Gesundheitsversprechen

Während sich in den Industrieländern Konsumentinnen und Konsumenten aufgrund eines stärkeren Gesundheitsbewusstseins zunehmend für regionale, bio-zertifizierte und weniger verarbeitete Produkte entscheiden, sieht das in ärmeren Ländern teilweise anders aus. Davon profitiert eine Ernährungsindustrie, die sich wie McDonald’s, Nestlé und Danone der Produktion von vielfach verarbeiteten Lebensmitteln und von Junk Food verschrieben hat. Sie drängt auf die Märkte in Ländern des Südens und will dort ärmere Bevölkerungsschichten als Konsumenten gewinnen. Das Wachstum im Marktsegment der Fertignahrung und Softdrinks mit großen Mengen Zucker, Fett und Salz findet heute fast ausschließlich dort statt. Selbst die Schwellenländer China, Brasilien und Südafrika sind diesbezüglich nicht mehr zu erobern, da die Unternehmen dort bereits eine ähnliche Marktdurchdringung wie in Industrieländern erzielt haben.

Aggressive Marketingstrategien tragen wesentlich zur Verbreitung von ungesundem Junk Food und Fertignahrung bei. Die Konzerne behaupten, dass industriell gefertigte Nahrung praktisch und nahrhaft sei. Sie treiben so die Veränderung der Ernährungsgewohnheiten und die Verdrängung von selbst zubereiteter Lebensmittel weiter voran. Zum Beispiel in Indien, wo Nestlé indischen Arbeitern und Schülerinnen undSchülern als besonders schnell zubereitetes Mittagessen die Fertiggerichte Maggi Atta Noodles oder Maggi DalNoodles anbietet. Weit verbreitet sind auch Gesundheitsversprechen (health claims). So führe zuckerhaltiger Joghurt zur Vorbeugung von Darmstörungen, verspricht Danone in Südafrika, ein Werbeversprechen, das beispielsweisein Deutschland verboten ist. Die staatlichen Regulierungen reichen in vielen Ländern nicht aus, um Verbraucherund Verbraucherinnen besser vor diesen Versprechungen zu schützen.

Globalisierung eines ungesunden Lebensstils

Die Folgen für die Gesundheit der Menschen und die lokalen Gesundheitssysteme sind gravierend. Die Anzahl der Menschen, die unter Adipositas leiden, hat sich seit1980 weltweit verdoppelt ). Bis 2025 wird die Zahl der fettleibigen Menschen global auf etwa 228 Millionen steigen; betroffen sind vor allem bevölkerungsreiche Länder wie Indien und China. 33 Millionen Kinder unter fünf Jahren in Schwellen- und Entwicklungsländern sind übergewichtig und mehr als 161 Millionen Kinder weltweit leiden unter „Stunting“, Unterentwicklung ausgelöst durch Mangelernährung. Viele von ihnen werden ein Leben lang unter den gesundheitlichen Folgen der Mangelernährung leiden.

Für die betroffenen Länder sind die direkten Folgen von Mangel- und Fehlernährung eine große Belastung. Es entstehen hohe Behandlungskosten für die Menschen,ihre Gemeinschaften und das Gesundheitssystem. Aber auch Produktivitätsverluste müssen berücksichtigt werden, da betroffene Menschen aufgrund von akuten Krankheitssymptomen beispielsweise nicht arbeiten können. Die weithin als „westliche Wohlstandskrankheiten“ bekannten Leiden wie Hypertonie, Diabetes mellitus Typ II und Adipositas sowie damit einhergehende Herz-Kreislauferkrankungen und frühzeitige Todesfälle nehmen in Schwellen- und Entwicklungsländern extrem zu. Die Globalisierung eines ungesunden Lebensstils ist nachweislich eine der Hauptursachen dafür.

Die Gesundheitssysteme in Schwellen- und Entwicklungsländern sind somit doppelt belastet (Double Burden of Malnutrition): zum einen aufgrund der Herausforderungen durch Hunger und Unterernährung sowie zum anderen aufgrund von Überernährung und Übergewicht.

Steuerliche Regulierung

Es muss also dringend etwas geschehen. Den Herstellern von gesundheitsgefährdenden Produkten muss Einhalt geboten werden – und zwar durch eine staatliche Regulierung zum Erhalt der Gesundheit. Großbritannien führte dafür im Sommer 2016 eine sogenannte „Limosteuer“ ein. Sie ist eine Steuer für Softdrinks, die mehr als fünf Gramm zugesetzten Zucker je 100 Milliliter enthalten; als Unternehmensteuer belastet diese Steuer nur den Produzenten. Die Einnahmen daraus sollen für Gesundheitsprogramme für Schulkinder genutzt werden. Mexiko, das Land mit den meisten Diabetes-Fällen weltweit, führte bereits 2014 als erstes Land eine Steuer auf zuckerhaltige Getränke ein. Erste Untersuchungen zeigen, dass dies tatsächlich zu einem verminderten Konsum der Softdrinks führt.

Zudem braucht es starke politische Richtlinien, die durch einen Ansatz auf verschiedensten Ebenen zum einen die Konzerne in die Schranken verweisen und zum anderen die Bevölkerung in die Pflicht nehmen. Konsumentinnen und Konsumenten müssen durch gezielte Präventionsarbeit in die Lage versetzt werden, dass sie das Für und Wider der verschiedenen Ernährungsweisen abwägen können und sich im besten Falle gegen industriell hergestellte und ungesunde Produkte entscheiden. Nur wenn die Absatzzahlen der Konzerne in diesem Segment sinken, werden sie ihre Strategien überdenken und auf andere Produkte setzen.

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Stadt, Land, Essen - Wer ernährt in Zukunft die Städte?

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