Nimmersatte Megastädte
Insgesamt zählt die UN heute weltweit 28 Megastädte mit jeweils mehr als zehn Millionen Einwohnern. Im Jahr 2030 werden es 41 Megastädte sein. Gleichzeitig steigt auch die absolute Zahl der Menschen, die in Städten leben: Die Stadtbevölkerung könnte sich bis 2050 weltweit von heute knapp vier Milliarden auf dann 6,5 Milliarden Menschen vergrößern. Knapp 90 Prozent des Wachstums der urbanen Bevölkerung bis 2050 werden in Afrika und Asien erwartet. Während die Stadtbevölkerung wächst, schrumpft die Landbevölkerung. Die Ernährung der Megastädte mit ihren großen informellen Siedlungen zu sichern, ist eine riesige infrastrukturelle und logistische Herausforderung.
Global, regional oder ein Mix aus beidem?
Um die Städter auf der ganzen Welt mit frischen Nahrungsmitteln zu versorgen, müssen diese in der Regel aus ländlichen Regionen direkt oder über Zwischenhändler und Großmärkte herangeschafft werden. Andere Nahrungsmittel werden – häufig saisonabhängig – regional oder international importiert. Ohne stetigen Nachschub kann in den Ballungszentren gerade einmal eine Versorgungssicherheit von drei Tagen gewährleistet werden. Streiks im Transportbereich weisen immer wieder darauf hin, wie prekär die Lage ist. Sie zeigen, wie schnell Supermarktregale oder Tankstellen in den Städten leer sind, wenn nicht ein kontinuierlicher Warenstrom garantiert werden kann. Schon in kürzester Zeit kommt es dann zu Plünderungen, Hamsterkäufen oder Unruhen. Daher ist es für die Ernährung der Menschen in den Städten entscheidend, wie der Handel und die Handelsströme organisiert sind.
Lagos in Nigeria, Manila auf den Philippinen oder Mumbai in Indien: Viele dieser Millionenstädte liegen verkehrsgünstig am Meer oder an großen Flüssen und können unkompliziert über den Weltmarkt versorgt werden. In Westafrika hängen die meisten Küstenmetropolen am Tropf der Importhäfen: Fleisch, Reis, Weizen und Gemüse aus Europa, Brasilien, Nordamerika strömen von dort in die Städte. Damit jedoch keine großen Abhängigkeiten vom Weltmarkt und den entsprechenden Preisschwankungen entstehen, kommt es auch darauf an, wie sich die Beziehungen zwischen den Metropolen und der näheren und weiteren ländlichen Region gestalten: Wie sind der einheimische Agrarsektor und die Infrastruktur aufgebaut? Wie sieht es mit Verarbeitungs- und Lagermöglichkeiten im Inland aus? In welchem Zustand sind die Straßen, wie hoch sind die nationalen Benzinpreise?
Öffnung der Märkte ‒ Chance oder Gefahr?
Einheimische Getreidesorten wie Sorghum oder Hirse geraten in vielen Ländern des Südens immer mehr ins Hintertreffen, obwohl sie zu einer gesunden Ernährung beitragen können. Schuld an dieser Weltmarktabhängigkeit ist auch die jahrzehntelange Vernachlässigung des ländlichen Raumes, teilweise bedingt durch subventionierte Importe aus der EU und den USA, die einheimische Produkte von den Märkten verdrängen. In Südafrika zum Beispiel zeigt sich, dass durch Marktöffnungspolitik, Verstädterung und veränderte Verzehrgewohnheiten, zunehmende Außer-Haus-Verpflegung oder stärkere Berufstätigkeit der Frauen die Nachfrage nach leicht zuzubereitenden Lebensmitteln wie Brot und Backwaren aus Weizen stark zugenommen hat. Obwohl Südafrika selbst Weizen produziert, ist der Import in den letzten Jahren stetig gestiegen. Das Land importiert aktuell 60 Prozent seines Bedarfes. Erst im August 2016 hat nun die Regierung die Importzölle erhöht, um die einheimische Produktion zu schützen. Die niederländische Rabobank schätzt jedoch, dass die Importe an Weizen durch afrikanische Länder südlich der Sahara insgesamt von 2015 bis zum Jahr 2025 um bis zu elf Millionen Tonnen auf mehr als 30 Millionen Tonnen zunehmen. Der überwiegende Teil davon wird aus Europa kommen, vor allem aus Frankreich.
Einfluss der Nahrungsmittelkonzerne
Bei der Versorgung der Stadtbewohnerinnen und Stadtbewohnern nehmen die großen weltweit agierenden Agrar- und Nahrungsmittelkonzerne immer mehr Einfluss. Sie haben ein starkes Interesse daran, dass die Versorgung mit Lebensmitteln noch stärker internationalisiert wird und streben weltweit gleiche Standards an, um Produkte in großen Mengen mit gleichbleibender Qualität jederzeit zur Verfügung zu haben. Für Getreide, Speiseöle oder Zucker ist diese Entwicklung bereits seit langem zu beobachten. Diese Produkte sind gut haltbar und gut weiterzuverarbeiten. Aber auch für leicht verderbliche Waren wie Gemüse und Obst nimmt der Handel in den letzten Jahren stark zu. Bohnen, Kartoffeln, Spargel, Äpfel oder Erdbeeren sind nun das ganze Jahr über in den globalen Zentren verfügbar, werden in Kenia, Peru, Chile, Südtirol oder den Niederlanden produziert. Mit großem Werbeaufwand werden sie weltweit über die globalen Supermarktketten vertrieben. Vor allem in den Millionenstädten in den Entwicklungs- und Schwellenländern vermitteln sie kaufkräftigen Verbrauchern das Gefühl, als Teil einer globalen modernen Konsumentengemeinschaft jederzeit Zugang zu allen Produkten zu haben. Doch was den Konsumenten und Konsumentinnen in den Städten mehr Freiheit gibt, schränkt die Spielräume der Produzenten auf dem Land ein.
Kleinbäuerliche Erzeuger auf dem Land sind oft das schwächste Glied in der Kette. Die Nahrungsmittelkonzerne kaufen nur dort ein, wo sie die Waren am günstigsten bekommen. Außerdem können viele kleinbäuerliche Betriebe die Standards nicht erfüllen, die Supermärkte einfordern.
Urban Gardening als Lösung
Zu einem geringen Teil könnten sich die Städter selbst versorgen, zum Beispiel durch Anbau auf städtischen Brach- und Grünflächen, in den Gärten, auf Balkonen und Dächern. Urban Gardening bewegt Menschen derzeit in vielen Städten des globalen Nordens, sich wieder mehr dem privaten und öffentlichen Gartenbau zu widmen, ist aber in vielen Städten des Südens schon lange Teil einer urbanen Landwirtschaft, die zu ihrer Ernährungssicherheit beiträgt. Ausreichend für die Versorgung der städtischen Bevölkerung kann urbane Landwirtschaft jedoch nicht sein, weil nicht genug Flächen und Ressourcen in städtischen Ballungsräumen zur Verfügung stehen, um die wachsende Bevölkerung mit ökologisch angebauten Nahrungsmitteln und damit nachhaltig zu versorgen.
Wer versorgt zukünftig die Städte?
Liegt die Lösung zur Ernährung der Stadtbevölkerungen in der regionalen Versorgung? Für die Versorgung der Städte wird es in Zukunft wahrscheinlich ein Mix von globalen und regionalen Handelsbeziehungen geben. Voraussetzung dafür sind ländliche Räume, die attraktive Lebens- und Arbeitsbedingungen und soziale Absicherung bieten. Nur so nehmen Landflucht und der Migrationsdruck auf die Städte ab. Gleichzeitig muss sichergestellt sein, dass alle in der Stadt lebenden Menschen ausreichend und gesund zu essen haben.
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