Nar Ra Bauk hat 79 Mitschülerinnen und Mitschüler. Die Jugendlichen tragen Thanaka-Paste im Gesicht wie fast alle Menschen in Myanmar.
© Frank Schultze / Brot für die Welt
Der Bürgerkrieg im Norden des Landes hat rund 120.000 Menschen aus ihrer Heimat vertrieben. Die meisten von ihnen leben seit Jahren auf engstem Raum in trostlosen Flüchtlingslagern. Ein Projekt der Baptisten gibt Kindern und Jugendlichen neue Hoffnung.
Konzentriert sitzt Nar Ra Bauk auf ihrem Platz in der ersten Reihe und lauscht den Ausführungen ihrer Physik-Lehrerin. Die spricht in ein Mikrofon, das über ein Kabel mit einem kleinen Lautsprecher verbunden ist. Nur so können alle 80 Schülerinnen und Schüler der Klasse die Lehrerin verstehen. Im Chor mit den anderen wiederholt Nar Ra Bauk die Lehrsätze, dann überträgt sie die Formeln sorgfältig in ihr Heft.
Dass die 16-Jährige die staatliche Schule von Myitkyina, der Hauptstadt des Bundesstaates Kachin im Norden von Myanmar, besuchen kann, ist alles andere als selbstverständlich. Nar Ra Bauk und ihre Familie sind Vertriebene. „Früher fürchteten wir ständig, dass uns etwas passieren könnte“, erzählt das Mädchen in der Pause. „In der Nähe unseres Dorfes gab es viele Konflikte zwischen den Rebellen und dem Militär. Deshalb sind wir von dort weggegangen.“
Im Bundesstaat Kachin leben rund 1,2 Millionen Menschen. Im Unterschied zur buddhistischen Bevölkerungsmehrheit im Rest des Landes sind die Kachin mehrheitlich christlichen Glaubens. Seit Jahrzehnten kommt es immer wieder zu kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen dem Militärregime und den Rebellen der Kachin Independent Army (KIA). Schätzungen zufolge sind seit dem Ende des Waffenstillstands 2011 rund 120.000 Menschen aus ihrer Heimat vertrieben worden, überwiegend Frauen, Kinder und ältere Menschen. Die meisten von ihnen leben in Flüchtlingslagern, so wie Nar Ra Bauk.
Sie wohnt mit ihren Eltern und ihrer Schwester seit 2011 im Flüchtlingslager Shatapru ganz in der Nähe der Schule. „Vor allem in den ersten Jahren war es sehr schwer“, sagt sie. „Alle hier in der Schule wussten, dass ich mit meiner Familie geflüchtet war. Und weil in unserem Heimatdorf oft der Unterricht ausgefallen war, musste ich viel Stoff nachholen.“ Dass ihr dies gelang, ist auch den Hilfslehrerinnen und -lehrern der Kachin Baptist Convention (KBC) zu verdanken, einer Partnerorganisation von Brot für die Welt. Sie gaben ihr Nachhilfestunden und unterstützten sie bei den Hausaufgaben. Inzwischen kommt Nar Ra Bauk nicht nur im Unterricht gut mit, sie hat auch Freundinnen gefunden.
Außerhalb der Schule spielt sich Nar Ra Bauks Leben hauptsächlich im Flüchtlingslager ab. Etwa 100 Familien leben hier auf engstem Raum. Ihre etwa zehn Quadratmeter großen Häuser sind auf Pfählen errichtet, damit sie bei starken Regenfällen nicht sofort unter Wasser stehen. Überall hängt Wäsche zum Trocknen; Schuhe, Eimer und Körbe sind auch draußen auf Regalen deponiert. Die Holzbauten haben dünne Bastwände – aus den Nachbarhäusern hört man jedes Geräusch und jeden Streit. Und weil Toiletten fehlen, müssen die Menschen ihre Notdurft in Gemeinschaftslatrinen verrichten.
Als Nar Ra Bauk am Abend nach Hause kommt, wartet ihre Mutter Shi Hkaun Mai schon auf sie. Dass die 16-Jährige sich zu einer guten Schülerin gemausert hat, erfüllt sie mit Stolz. „Als wir auf der Flucht waren, haben wir vom Lager in Shatapru gehört und dass die Kinder dort die Möglichkeit haben, am Unterricht und an Förderprogrammen teilzunehmen“, erzählt sie. Damals machte sie sich große Sorgen um die Zukunft ihrer Töchter. Inzwischen ist Shi Hkaun Mai zuversichtlich, dass die beiden später einmal auf eigenen Beinen stehen können. Während Nar Ra Bauk noch in die Schule geht, macht ihre 20-jährige Schwester Seng Hroi Nan mit Unterstützung von KBC eine Ausbildung zur Schneiderin.
Hinweis: Die Spendenbeispiele sind symbolisch. Durch Ihre zweckungebundene Spende ermöglichen Sie uns dort zu helfen, wo es am dringendsten ist.
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